Er ist wieder da! Was hat Astrid (Maren Eggert) doch um ihren Sohn Phillip (Jakob Lassalle) gebangt, der einfach so verschwunden war. Nun ist der 13-Jährige zurück, so plötzlich wie er fort war, der Alltag kann weitergehen. Nur so richtig will Astrid das nicht gelingen nach der anfänglichen Euphorie. Ihr neues Fahrrad geht schon auf dem Weg nach Hause kaputt, weil die Gangschaltung nicht mehr will. Vor allem aber ihr Familienleben kommt einfach nicht mehr in Gang. Immer wieder Streit, oft aus nichtigen Gründen. Und dann ist Phillips Bein auch noch verletzt, ohne dass jemand genau sagen kann, was damit ist.
Angela Schanelec ist keine Frau vieler Worte, zumindest nicht in ihrem Film. Es dauert schon einige Minuten, bis in Ich war zuhause, aber … das erste Mal gesprochen wird. Und selbst dann bleiben die Artikulationen nur Geräuschanordnungen, denen man Buchstaben und Grammatik zuordnen kann, nicht aber etwas, das einer Kommunikation gleichen würde. Manchmal braucht es das aber auch nicht. Wenn wir zu Beginn ihres Dramas einen Hasen über eine Wiese hoppeln sehen, einen Hund über eine Wiese rennen sehen, dann brauchen wir sie nicht zusammen zu sehen, um zu verstehen, was da geschieht. Es braucht dann auch nicht die anschließende Szene, wenn der Hund den gejagten Hasen frisst. Immerhin, es wird eine der wenigen Szenen sein, die sich noch eindeutig erschließt. Hunde jagen Hasen. So will es die Natur.
Die Suche nach Verständnis
Aber was will die Natur mit den Menschen? Und was wollen die Menschen selbst? Das bleibt das große Geheimnis, das große Geheimnis für das Publikum, das große Geheimnis von Schanelec. Astrid neigt zu heftigen Wutausbrüchen, ist ganz offensichtlich mit der Situation und ihren Kindern überfordert. Doch wie es so weit kommen konnte, dass ein zerbrochenes Glas zu einem Familiendrama werden kann, das verschweigt Ich war zuhause, aber …. Das Publikum darf die Antwort dafür selbst finden. Es muss es aber nicht. Vieles in dem Film geht darum, dass etwas nicht erklärt oder verstanden wird, auch weil die Leute aneinander vorbeireden. Die wenigen Szenen, wenn die Menschen doch einmal versuchen, miteinander zu kommunizieren, enden meist in einem Desaster.
Das können Familienmitglieder sein, Partner und Partnerin oder auch bloße Bekanntschaft: Immer wieder scheitern die Figuren daran, einander zu verstehen, sich vielleicht auch selbst zu verstehen. Einer der sonderbarsten und demonstrativsten Handlungsstränge ist in der Hinsicht der Fahrradkauf: Ein älterer Herr wird sein gerade überholtes Rad an Astrid verkaufen. Doch dem Herr wurde zuvor offensichtlich der Kehlkopf entfernt, weshalb er nur mithilfe eines elektronischen Gerätes Laute von sich gibt. Welche das sind, ist als Zuschauer kaum zu verstehen. Astrid tut es jedoch offensichtlich. Und damit das Publikum, ein bisschen, anhand der Reaktionen. Man versteht ihn vielleicht sogar mehr als Astrid, obwohl man kein Wort von ihm hört.
Mal spannend, mal zäh
Teilweise sind diese spielerischen Auseinandersetzung mit den Themen Kommunikation und Verständnis interessant. Die leicht rätselhafte Aura, welche die Menschen umgibt, geht mitunter ins Surreale, ein bisschen in die Richtung David Lynch und Quentin Dupieux. Doch wo die beiden Herren das Seltsame in den Mittelpunkt stellen, da gibt es in Ich war zuhause, aber … durchaus die Sehnsucht danach, die anderen zu verstehen und Halt zu finden. Hier soll es tatsächlich um die Figuren gehen. Umso befremdlicher ist, dass das auf der Berlinale 2019 mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnete Drama genau das verhindert. Dass es dem Publikum nahezu unmöglich macht, sich in den Zweibeinern wiederzufinden, die durch die Gegend laufen.
Die märchenhaften Elemente des Films, sowohl zu Beginn wie zum Ende, sind dabei sehr schön geworden, auch weil Kameramann Ivan Markovic hier eine tolle Bildsprache an den Tag legt. Frustrierend ist jedoch, dass Astrid und die anderen bis zum Schluss nie zu wirklichen Menschen werden. Die Dialoge haben nichts mit menschlicher Kommunikation zu tun, auch die Darsteller*innen geben sich größte Mühe, nur ein Abbild zu bleiben. Eine optische Kopie. Das macht es nicht nur schwierig, in irgendeiner Form Anteilnahme zu zeigen. Es führt auch das Vorhaben zwischenmenschliche Verständnisschwierigkeiten aufzuzeigen ad absurdum, ginge durchaus als Komödie durch. Was ein kraftvolles Bekenntnis zu den Grenzen von Kommunikation hätte werden können, wird so zu einer recht zähen Kopfgeburt, die mehr über Schanelec als über die Menschen aussagt und einen zwischendurch ziemlich kalt lässt.
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