Man kann nicht unbedingt behaupten, dass Jean-Pierre (Ludovik) und Jonathan (Jérôme Niel) voller Nostalgie und Wehmut an ihre Schulzeit zurückdenken. Sie haben sie sogar gehasst und waren froh, endlich von dort wegzukommen, von ihrer alten Heimatstadt wegzukommen und in Paris ein neues Leben zu beginnen. Und doch, als die Einladung ins Haus flattert, an einem Ehemaligentreffen in der Schule teilzunehmen, lassen sie sich darauf ein. Denn irgendwie würden sie doch ganz gerne noch mal den ganzen Idioten von damals gegenübertreten und es ihnen heimzahlen, wie sehr sie damals schikaniert wurden. So ganz geht dieser Plan aber nicht auf, der ganze Abend entwickelt sich ziemlich turbulent weiter …
Ob wir die Schulzeit nun geliebt oder gehasst haben, so ganz lässt sie einen wohl nie los. Man muss noch nicht einmal an Klassentreffen teilhaben oder sich aktiv an die damalige Zeit erinnern, geprägt wurden wir durch die gemeinsamen Jahre so oder so. Wenn in Filmen Protagonisten und Protagonistinnen in die Heimat zurückkehren und das erste Mal seit Langem auf frühere Verbündete und Gegner treffen, dann geht das automatisch mit einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit einher. Oft ist das mit einer bittersüßen Stimmung verbunden, siehe etwa 10 Jahre – Zauber eines Wiedersehens.
Man darf auch mal lachen
Rémy Four und Julien War schwebte bei ihrer Reunion aber ein bisschen was anderes vor. Bislang war das Duo lediglich als Drehbuchautoren in Erscheinung getreten, etwa bei Ein Mordsteam. Bei ihrem ersten Werk als Regisseure blieben sie dem Komödienfach jedoch treu. Und so will La Grande Classe: alles beim altem das die beiden für Netflix drehten, in erster Linie auch die komischen Aspekte einer solchen Veranstaltung hervorheben. Denn auch wenn die Schüler und Schülerinnen von einst inzwischen älter sind, Berufen nachgehen, Familien haben, so richtig erwachsen sind sie nicht geworden.
Sowas kann immer ein bisschen anstrengend werden, zumal Mannskinder in den seltensten Fällen tatsächlich spannende Figuren sind. Das ist bei La Grande Classe: alles beim altem nicht wirklich anders. Grundsätzlich bringt man den beiden Hauptfiguren natürlich schon Sympathie und Verständnis entgegen, wenn sie sich gegen die Bullys von einst zur Wehr setzen. Es hat ja immer etwas Befriedigendes, wenn die Unterdrückten sich erheben und den Unterdrückern mal so richtig in den Hintern treten. Nur passiert das hier irgendwie nicht wirklich. Man wartet die ganze Zeit darauf, dass der Film mal etwas aus der Situation macht, vielleicht etwas Gemeines passiert. Aber nichts ist.
Alles beim alten
Stattdessen ist La Grande Classe: alles beim altem ein Sammelsurium aus Ereignissen und Szenen, die sich nie zu einer Geschichte zusammensetzen oder mal eine klar erkennbare Richtung verfolgen würden. Mal tauchen Kinder auf, die sich ganz bedrohlich aufführen, eine Ehemalige will auf der Bühne ihre Vergangenheit verarbeiten, auch ein bisschen Techtelmechtel darf in dem Chaos nicht fehlen. Und natürlich sind die Brutalos von früher genauso doof geblieben, auch da ist also, wie der deutsche Titel festhält, alles beim alten geblieben. Der Wandel der Zeit spielt daher bei Four und War keine Rolle, die beiden wollen erst gar nicht darüber reden, wie sich Leute mit den Jahren verändern können.
Natürlich muss nicht jeder Film tiefschürfende Charakterporträts bieten oder Denkanstöße liefern, die noch lange nachwirken. Ein bisschen harmloser Spaß ist ja auch mal ganz nett. So richtig überzeugend ist La Grande Classe: alles beim altem an der Stelle aber auch nicht. Es fehlen die die tatsächlich zündenden Gags oder unerwarteten Momente, um in der rund 80 Minuten dauernden Ziellosigkeit wenigstens Akzente zu setzen. Ein bisschen rührend ist es sicherlich, wie am Ende alle ihre Traumata überwinden und sich endlich an die Arbeit machen dürfen, ein Leben als Erwachsener zu führen. Doch so denkwürdig das Ereignis für die Betroffenen auch sein mag, als unbeteiligter Zuschauer zuckt man da eher mit den Schultern und wendet sich dem nächsten Thema zu.
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