Das Leben von François (Jean-Claude Drouot) und seiner jungen Frau Thérèse (Claire Drouot) könnte nicht besser sein. Seine Arbeit als Zimmermann bringt ihm gute Aufträge, wobei Thérèse sich und der Familie noch ein kleines Nebeneinkommen durch ihre Tätigkeit als Schneiderin verdient. Am Wochenende fahren die beiden mit ihren zwei Kindern aufs Land, wo sie es sich bei einem Picknick gut gehen lassen. Trotz des tiefen Glücks, welches François empfindet, verliebt er sich in die Postangestellte Émile (Marie-France Boyer) und beginnt schließlich eine Affäre mit ihr. Zu rechtfertigen versucht er sein Handeln damit, dass er jenes Glücksempfinden durch diese neue Verbindung intensivieren kann.
Ich bin frei und glücklich
Als Le Bonheur in der Mitte der turbulenten 1960er Jahre veröffentlicht wurde, wusste sowohl Publikum als auch Kritik nicht so recht, was sie mit dem neuen Film Agnès Vardas anfangen sollten. Vollmundig angepriesen als ein Film, den sich „nur eine Frau“ trauen würde zu machen, verhandelte das Werk unter anderem Geschlechterbilder, wobei gerade der Mann als Ausbeuter gezeigt wird, was die Frau stillschweigend erduldet. Dies Vardas Werk zu unterstellen, unterschlägt allerdings auch die innewohnende, tiefergehende Auseinandersetzung mit Vorstellungen von Glück, wie sie in den Medien bis heute vorherrschen. Gerade diese Verhandlung und dieses Zerpflücken von Klischees war der Ausgangspunkt von Le Bonheur, wie Varda in einer 1998 aufgezeichneten Einleitung zu dem Film verrät.
Gerade die ersten Minuten deuten auf eine weitere Ebene hinter den einlullenden Naturbildern an. Den Klängen der Musik Wolfgang Amadeus Mozarts folgend eröffnet sich dem Zuschauer ein üppiges Naturbild den Vorstellungen des Garten Eden ebenbürtig, in welchem die Menschen in perfekter Harmonie mit Flora und Fauna leben können, zumindest einen Sonntag lang. Während die beiden Kinder friedlich schlafen, geben sich François und Thérèse ihren tiefen Glücksgefühlen hin, bekunden, wie sehr sie sich lieben und wie schön doch alles um sie herum ist. Das Repetitive hinter den Bildkompositionen Vardas deutet bereits an, dass etwas faul ist an diesen leicht biederen Menschen, die beinahe artifiziell wirken.
Es wäre ein Verbrechen nicht zu handeln
Vardas Film ist im besten Sinne eine Zumutung für den Zuschauer. Während man auf der einen Seite das Visuelle, insbesondere die Farbgestaltung des Films, loben wird, kommt man nicht umhin, einen starken Unwillen, wenn nicht sogar Ekel vor diesen Menschen, speziell François, zu spüren und ihren Handlungen. Als François davon spricht, Glück funktioniere am besten, wenn man es stetig addiere, händigt er sich praktisch die Entschuldigung für sein chauvinistisches Verhalten aus. Dies mag abstoßend sein, passt aber innerhalb des Kontexts von beispielsweise medialer Vorstellungen von Glück, die eine Sicherheit dessen garantieren, wenn man nur genug davon anhäuft.
Wie Filmkritikerin Pamela Hutchinson in ihrem Essay über Le Bonheur hinweist, spielt die Farbgebung innerhalb des Films eine zentrale Rolle. Geht man Vardas Behauptung nach, dass Le Bonheur ihre Suche nach der Farbe des Glücks sei, dann ergeben sich interessante Einsichten, beispielsweise in der Art und Weise, wie die Farbe der Übergänge zwischen Szenen sich verändert, je nach dem, mit welcher Frau François gerade zusammen ist.
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