Bis vor Gus Van Sants Drama Milk (2008) war vielen der Name Harvey Milk und dessen Bedeutung nicht geläufig. Als einer der ersten offenen homosexuellen Politiker des Landes wurde Milk 1976 Mitglied des Stadtrats in San Francisco, wo er schon seit längerem ein Fotogeschäft auf der Castro Street unterhielt und bereits mehrfach für politische Ämter kandidierte hatte. Neben der LGBTQ-Bewegung trat Milk mehrfach für die Rechte von Senioren und Arbeitern ein, wobei einer seiner größten politischen Erfolge sein Engagement gegen ein umstrittenes Gesetz war, welches homosexuellen Lehrern und Erziehern mit Berufsverbot drohte.
Im Jahre 1978 fiel Milk, wie auch der amtierende Bürgermeister San Franciscos George Moscone, einem Attentat zum Opfer, das von einem politischen Rivalen, der sich von beiden hintergangen fühlte, initiiert wurde. Bis heute gilt Harvey Milk als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Stadt und wurde gar mit einem Gedenktag (dem 22. Mai) geehrt, an dem Schüler und Schülerinnen über die Person Milks und dessen Bedeutung aufgeklärt werden sollen.
„Ich bin Teil einer Bewegung.“
In seiner 1984 veröffentlichten Dokumentation zeigt Regisseur Robert Epstein, der jüngst mit Spielfilmen wie Lovelace und Howl auffiel, nicht nur das Leben und Wirken Harvey Milks, sondern verfolgt auch, wie sich San Francisco in dieser Zeit verändert hat. Auch das Leben des Attentäters Dan White wird in Ausschnitten gezeigt sowie der Prozess gegen ihn im Anschluss an die Bluttat.
Das Bild Harvey Milks ist das eines Vollblutpolitikers, der ein Gespür für die Bedürfnisse der Bürger hatte, der sich nicht vor der Menge scheute und direkt auf Menschen zuging. Durch seine politischen Erfolge sieht sich Milk bereits früh als Vertreter der Schwulen- und Lesbenbewegung, die sich bis zu diesem Zeitpunkt von der Stadt- wie auch der Landespolitik ausgeschlossen sah. Durch seine Nachbarschaftsfeste sowie sein Engagement für die Stadt prägt Milk früh das Bild, insbesondere der Castro Street, die schon bald zum Zentrum der LGBTQ-Bewegung wurde.
Hierbei greift Epstein immer wieder auf die zahlreichen Freunde und Weggefährten Milks zurück, die er für den Film interviewte. Durch den Einsatz von Archivaufnahmen, beispielsweise von TV-Beiträgen, beweist Epstein sich als Chronist dieses Lebens ohne Bewertungen des Geschehens außerhalb derer, welche seine Interviewpartner erwähnen.
Tradition und Veränderung
Die Wichtigkeit der Person Milks wird wohl keiner bestreiten, zumal Epsteins Film engagiert für die Relevanz dieser Person und der Werte, für die sie bis heute steht, eintritt. Lobend zu erwähnen ist der unaufgeregte Tonfall der Dokumentation, besonders, wenn es um den Prozess gegen Dan White geht, der eine kritische Distanz zulässt. Darüber hinaus kommt man nicht umhin, die nach wie vor schwierige Lage der LGBTQ-Gemeinde zu betrachten, die sich bis in die heutige Zeit in gewissen Ressentiments und Vorurteilen zeigt, gegen die Männer wie Milk eintraten.
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