Bonnie und Bonnie
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Bonnie & Bonnie

Bonnie und Bonnie
„Bonnie & Bonnie“ // Deutschland-Start: 24. Oktober 2019 (Kino) // 22. November 2019 (DVD)

Es ist entschieden, Yara (Emma Drogunova), die mit ihrer Familie in Hamburg-Wilhelmsburg wohnt, wird heiraten! So will es der Vater, der nach albanischer Sitte einen Ehemann für seine 17-jährige Tochter ausgesucht hat. Dass die darauf keine große Lust hat, interessiert niemanden, die Tradition muss schließlich fortgeführt werden. Dabei gibt es jemand anderen, der es der Jugendlichen schwer angetan hat: Kiki (Sarah Mahita). Die hat keine Familie, ist dafür nicht auf den Mund gefallen. Das hilft ihr auch bei ihrem Job in einer Sportsbar, in der sie ständig angegraben wird – unter anderem von Yaras Bruder Bekim (Slavko Popadic). Der darf natürlich auch nichts davon wissen, dass die beiden Frauen sich treffen und bald mehr sind als nur Freundinnen …

Es ist nie besonders schmeichelhaft, wenn das Beste an einem Film noch der Titel ist. Vor allem, wenn der eigentlich gar nicht wirklich passend ist. Natürlich erinnert Bonnie & Bonnie an eines der berühmtesten Paare der Zeitgeschichte, das US-amerikanische Verbrecherduo Bonnie & Clyde. Das durfte schon mehrfach als Thema für Filme herhalten, oft verbunden mit einer gewissen Faszination, wenn nicht gar Bewunderung für die Outlaws, die gemeinsam dem Rest der Welt trotzten. Zwei Menschen, die sich von niemandem was sagen ließen, schon gar nicht vorschreiben, sich einfach nahmen, was sie wollten.

Wir sind anders!
Der Kampf gegen die Gesellschaft eint schon die beiden Bonnies hier, die eigentlich Yara und Kiki heißen. Nur dass die zwei jungen Frauen kein eigentliches Verbrechen begangen haben, zumindest nicht aus juristischer Sicht. Sie entsprechen lediglich nicht der heteronormativen Norm, die vor allem in Yaras Familie vorherrscht. Die Gleichsetzung der beiden Paare mag deshalb catchy sein, richtig schlüssig ist sie nicht. Zumal Bonnie & Bonnie auch erst im späteren Verlauf die Bedrohlichkeit eines Genrefilms annimmt. Vorher handelt es sich vielmehr um ein recht gewöhnliches Drama über eine Liebe, die nicht sein darf, also Romeo und Julia näher ist als Bonnie und Clyde.

Regisseur und Co-Autor Ali Hakim, der hier sein Spielfilmdebüt gibt, legt dieses auch als Kampf der Kulturen an. Auf der einen Seite das aufgeschlossene, zumindest gleichgültige Deutschland, in dem jeder machen kann, was er will. Auf der anderen Seite die konservativen Traditionen der albanischen Familie, die überhaupt nicht daran denken, sich an hiesige Gepflogenheiten anzupassen. Das kann man nun engagiert nennen, es als Plädoyer für eine freie Selbstentfaltung deuten. Oder fahrlässig, in einer Zeit, in der rassistische Ressentiments wieder hoffähig geworden sind, die andere Kultur derart eindeutig als die „Bösen“ darzustellen. Eines ist der Film jedoch sicherlich nicht: originell.

Figuren nach dem alten Schema
Genauer verlässt sich Bonnie & Bonnie an zu vielen Stellen auf Klischees. Besonders bei der Figurenzeichnung begnügten sich Hakim und Maike Rasch mit den üblichen groben Strichen. Es gibt den despotischen Vater, der keinen Widerspruch duldet, den Macho-Bruder, der für sich Rechte rausnimmt, die seine Schwester nie haben wird. Und auch bei den Frauen sucht man vergeblich nach Widerhaken. Etwas, das aus ihnen mehr macht als Stereotype. Erst gegen Ende hin folgen erste Versuche, auch mal ein bisschen auszubrechen, mit beschränktem Erfolg: Der Film macht da gleich wieder zu viel, entgleist auf eine leicht groteske Weise, inhaltlich wie auch schauspielerisch.

Deutlich besser ist das Drama, das auf dem Filmfest Emden-Norderney 2019 Premiere hatte, wenn der Kampf gar nicht Teil des Themas ist. Wenn es gar nicht so sehr darum geht, dass eine unerlaubte Liebe zur Kontroverse wird, sondern um die Liebe als solche. Die schüchterne Yara, die schnell mal zu was gezwungen wird. Die aufbrausende Kiki, die vor niemandem kuscht. Wie die beiden so grundverschiedenen Frauen sich näherkommen, etwas unschlüssig, wie sie das handhaben sollen, was sie genau wollen, das ist schon schön anzusehen. Und auch das raue, leicht dokumentarische Drumherum gefällt, wenn Hakin sich seine Heimat Hamburg-Wilhelmsburg genauer anschaut und in Bildern festhält. Leider reicht das aber nicht aus, eine gute Absicht allein macht dann doch noch keinen guten Film.



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„Bonnie & Bonnie“ mag an das berühmte Gangsterpaar anspielen, ist aber eher eine Variante von Romeo und Julia, wenn zwei junge Frauen aus unterschiedlichen Kulturkreisen sich ineinander verlieben. Das ist gut gemeint als Plädoyer für Selbstentfaltung. Das dokumentarische Drumherum stößt sich jedoch an einem Inhalt, der zuerst zu sehr auf Klischees geht und später dann übertrieben ist.
5
von 10