Cold Case Hammarsjköld

Cold Case Hammarskjöld

Cold Case Hammarsjköld
„Cold Case Hammarskjöld“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Im Jahr 1961 kommt der damalige UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld bei einem Flugzeugabsturz im Kongo ums Leben. So viel ist klar, doch die mysteriösen Hintergründe liegen bis zum heutigen Tag im Dunkeln. War es schlicht ein Unfall oder doch ein von langer Hand geplanter, elaborierter Mordanschlag? Über fünf Jahrzehnte später nimmt sich der investigative Dokumentarfilmer Mads Brügger des Falls in seiner ihm eigenen Mischung aus Faktentreue und Fiktionalisierung an – und fördert schier Unglaubliches zutage.

Verschwörung oder Verschwörungstheorie?
Gleich zu Beginn des Films stellt Brügger klar: „Dies könnte entweder das größte Mordrätsel aller Zeiten sein – oder die idiotischste Verschwörungstheorie der Welt.“ Dies sind die Pole, zwischen denen Brüggers bemerkenswerter Dokumentarfilm oszilliert. Dem nicht weniger als schockierenden Ergebnis, zu dem der Film letztlich kommt, soll an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden. Die Tatsache, dass die Vereinten Nationen den Fall infolge der Veröffentlichung von Cold Case Hammarskjöld neu aufgerollt haben, zeugt jedoch von der Bedeutung der gewonnenen Erkenntnisse. Nicht minder interessant als das Ergebnis der sechsjährigen und hochintensiven Recherchen ist ohnehin die spezielle Machart des Films. Das diffuse Label Dokumentarfilm wird den virtuosen und unbequemen Werken Brüggers nämlich nur sehr bedingt gerecht.

Die Methode Brügger
Cold Case Hammarskjöld weckt unwillkürlich Erinnerungen an Brüggers bis dato wohl bekanntesten Film, The Ambassador (2011). Darin gab sich Brügger als liberischer Konsul aus, um Diamantenschmuggel unter Diplomaten auf die Spur zu kommen. Zwar ist auch der neue Film Ausdruck einer phantasmagorischen Faszination mit einem mythisch verklärten, kolonialen Afrika, doch Brügger wiederholt sich nicht einfach, sondern entwickelt seinen investigativen und idiosynkratischen Ansatz konsequent weiter. Selbstreflexiv, provokant und humorvoll legt Brügger legt seine Methoden und Motivationen schonungslos offen und schreckt davor auch vor Manipulationen – sowohl seiner Protagonisten als auch der Zuschauer – nicht zurück. Das Element der Fiktionalität schwingt dabei in jedem Moment latent mit und stellt alle präsentierten Fakten im selben Moment wieder in Frage. Es ist eine unverblümte Aufforderung an das Publikum, stets kritisch zu bleiben und keine Information unhinterfragt hinzunehmen. Brüggers Filme sind zugleich Dokumentarfilme und Meta-Kommentare zum Genre selbst.

„Es ist eine sehr komplizierte Geschichte. Vielleicht zu kompliziert.“
Der atmosphärische True-Crime-Dokumentarfilm mit seinen unzähligen Personen, Orten, Organisationen und Querverbindungen ist hoch komplex, vielleicht etwas zu komplex, um alle Verstrickungen beim ersten Sehen durchdringen zu können – ein Umstand, den Brügger auch selbst ganz unverhohlen zugibt. Sein filmisches Alter Ego diktiert die Fortschritte der Recherche seiner (fiktionalen) Sekretärin und kommt im Zuge dessen selbst durcheinander. Die Erzählung verselbständigt sich irgendwann, sodass Brügger etwa zur Hälfte der Filmlaufzeit zu einem überraschenden Kniff greift. Er bricht mit seinem semi-fiktionalen Charakter und beginnt, seinen altbewährten filmischen Ansatz radikal zu hinterfragen. Er entlarvt das vermeintlich idealistische Wahrheitsstreben von Investigativjournalisten und ihre Anfälligkeit für verlockende Verschwörungstheorien. Doch Brügger nimmt sich selbst von dieser Anschuldigung keinesfalls aus – im Gegenteil. Der Zuschauer wird unweigerlich zum willigen Komplizen und zum Opfer der eigenen Erwartungen in diesem undurchsichtigen Verwirrspiel zwischen Realität, Fiktion und Spekulation.



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„Cold Case Hammarskjöld“ ist vielleicht nicht der unterhaltsamste, mit Sicherheit aber der ambitionierteste Film des Provokateurs Mads Brügger. Der widersprüchliche Dokumentarfilm-Hybrid ist eine filmische und intellektuelle Herausforderung, aber eine, die es sich zweifellos anzunehmen lohnt. Ein wilder Ritt, frei nach Brüggers Lebensmotto: „Es ist besser, um Vergebung zu bitten, als um Erlaubnis.“