Die dichten Wolken am Horizont und die ersten Wetterberichte geben Gewissheit: die Sturmsaison, die im Volksmund „mean season“ genannt wird, steht der Ostküste der USA bevor. Als würde dies nicht schon für genug Unruhe sorgen, treibt zudem ein Killer sein Unwesen und der abgebrühte Reporter Malcolm Anderson (Kurt Russell) soll über den Fall berichten. Eigentlich hatte er etwas Anderes vor, denn über die Jahre hat er genug von Artikeln über Mord und Totschlag, sodass er zusammen mit seiner Freundin Christine (Mariel Hemigway) beschlossen hatte, seinen Job aufzugeben und ins eher ruhigere Colorado zu ziehen. Doch der Fall lässt Malcolm keine Ruhe, vor allem nicht, als der Killer höchstpersönlich ihn kontaktiert. Trotz seines Vorsatzes will sich Malcolm eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen, willigt also schließlich ein, das öffentliche Sprachrohr des Mörders zu werden. Während Anderson seinen Ruhm genießt und alles tut, um mit der Polizei, allen voran Detective Ray Martinez (Andy Garcia) zu kooperieren, nimmt der Killer langsam Anstoß daran, dass Malcolm sichtlich mehr Publicity genießt als er.
Ein Sturm zieht auf
Dem in Australien geborenen Regisseur Phillip Borsos war leider keine lange Karriere innerhalb der Traumfabrik gegönnt. Mit nur 41 Jahren starb der 1995 an Leukämie und sollte nach Das mörderische Paradies nur noch zwei weitere Projekte als Regisseur begleiten. Für seinen zweiten Spielfilm griffen er und Produzent David Foster auf einen Roman des Kriminalschriftstellers John Katzenbachs zurück, der sie nicht zuletzt wegen der Darstellung der Medien faszinierte. Die extensive Recherche, die sich unter anderem auf eine präzise Studie der Arbeit des Miami Herald stützte, übertrug sich zudem auf die Darsteller, den sowohl Russell als auch Richard Bradford, der dessen Redakteur spielt, verbrachten viele Stunden in den Büros eben jener Zeitung und unterhielten sich mit Reportern sowie Redakteuren.
Beim Sichten des Films fallen diese Bemühungen durchaus positiv auf. Die ersten langen Einstellungen, welche einen guten Eindruck von der Hektik und Anspannung innerhalb der Zeitungsbüros und der Reporter geben, sind hier eines von vielen guten Beispielen. Unterstützt durch die sich regelmäßig wiederholenden Einstellungen des sich zuziehenden Himmels sowie der ersten Vorboten des Sturms, zeigt Borsos zusammen mit Kameramann Frank Tidy das Bild einer Stadt, die sich in einer Mischung von Ausnahmezustand und Resignation auf das Unvermeidliche vorbereitet.
Innerhalb dieses Mikrokosmos gliedert sich der von Kurt Russell gespielte Malcolm Anderson scheinbar nahtlos mit seiner Routiniertheit und Distanz. Dennoch merkt man immer wieder die Risse in dieses Uniform des Zynismus, eine gewisse Müdigkeit und Traurigkeit, sich immer wieder mit dem Tod anderer zu befassen im Auftrag hoher Auflagen und des Geldes. Wie Kirk Douglas’ Chuck Tatum aus Billy Wilders Meisterwerk Reporter des Satans umgibt ihn eine Mischung aus Überdrüssigkeit aber auch Sensationsgier, was das Drehbuch Christopher Crowes zum Anlass nimmt, ihn in einer Art Verwandtschaft zur Denkweise und dem Menschenbild des Killers zu bringen. Nicht umsonst hat dieser ihn letztlich ausgewählt.
Der Kampf um das Narrativ
Wie Autor und Podcaster Stefan Jung in seinem lesenswerten Kommentar zum Film schreibt, gerät die Arbeit der Polizei in Das mörderische Paradies in den Hintergrund. Dennoch ist Anderson keinesfalls als eine Art Ermittler oder Detektiv angelegt, auch wenn sein Beruf naturgemäß solche Eigenschaften bis zu einem gewissen Grade mit sich bringt. Die Spannung in Borsos’ Film speist sich aus dem psychologischen Duell zwischen Reporter und Killer, genauer gesagt, dem Kampf um eine Erzählung, für die Anderson als eine Art Ghostwriter fungieren sollte. Der aufkommende Sturm kündigt einen desaströsen Kontrollverlust an, eine Entladung der Gewalt, die keiner von beiden mehr ganz im Griff hat, die unausweichlich bleibt, untermalt von der fabelhaft-suggestiven Musik Lalo Schifrins (Achterbahn).
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