Unter dem Vorwand, die Bibliothek auf seinem Schloss zu betreuen, reist der junge Jonathan Harker (John vam Eyssen) zum Anwesen des Grafen Dracula (Christopher Lee). Trotz des etwas merkwürdigen Verhaltens des Grafen lässt sich Jonathan nicht beirren, ist zuversichtlich, seine Aufgaben so gründlich es geht, zu erfüllen. Jedoch sind seine wahren Motive ganz andere, denn Jonathan ahnt bereits, dass sich hinter der menschlichen Maske des Grafen ein Vampir verbirgt, der schon seit langem das Umland in Angst und Schrecken versetzt. Daheim wartet seine Verlobte Lucy Holmwood (Carol Marsh) auf die Rückkehr ihres Liebsten. Zu allem Übel ist sie zudem an Bett gefesselt, da eine rätselhafte Schwäche sie befallen hat. Ihr Bruder Arthur (Micheal Gough) weiß auch keinen Rat, bis der Wissenschaftler Doktor van Helsing (Peter Cushing) die junge Frau untersucht, wobei sein Auge auf zwei Wunden am Hals fällt.
Übergang in die Dunkelheit
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die traditionsreiche und in den 1950ern sehr erfolgreiche Produktionsfirma Hammer einen Vorstoß auf eine Geschichte wagte, die von jeher in ihr Metier passte. Bereits mehrfach wurde die berühmte Romanvorlage des Iren Bram Stoker verfilmt, zum Beispiel von Friedrich Wilhelm Murnau (Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens) und dann 1931 von Tod Browning mit Bela Lugosi in der Rolle des Grafen Dracula. Da die Rechte nach wie vor bei Universal lagen, entwickelte sich eine Kollaboration zwischen beiden Firmen, welche sich in den Folgejahren noch als sehr lukrativ für beide Seiten erweisen sollte.
Für viele Fans der Hammer-Filme wie auch des Horror-Genres an sich ist die Version Terence Fishers nicht nur eine der besten Verfilmungen der Vorlage, sondern zudem eine der besten Produktionen des Hauses Hammer. Wie der britische Filmhistoriker Marcus Hearn in einer Featurette auf der britischen Veröffentlichung des Filmes sagt, kamen hier sowohl vor als auch hinter der Kamera einige der wichtigsten und prägendsten Talente des Studios zusammen. Diesbezüglich verdient das Set-Design eine besondere Erwähnung, was nicht nur die unheimlich-bedrohliche Atmosphäre des Films brillant einfängt, sondern zudem auch die literarische Tradition sowie die Viktorianische Zeit – ihre Architektur, Kunst und Mode – berücksichtigt. Auch in anderen Bereichen, wie den Kostümen, merkt man diese Eckpfeiler der Hammer-Filme, die nicht nur die Handschrift der jeweils Beteiligten tragen, sondern zudem zu stilbildenden Erkennungssignalen von Hammer-Produktionen wurden.
Eine wilde Bestie
Trotz oder gerade wegen der Straffung des Romans in Jimmy Sangsters Skript erfolgt eine Fokussierung auf den Widerstreit zwischen Natur oder dem Unheimlichen und der Wissenschaft. Wenn Michael Gough als Jonathan Harker über eine Brücke das Schloss des Grafen betritt, ist dies gleichzeitig ein Übergang in jenes Reich, in dem die Gesetze der Realität und der Wissenschaft keine Geltung mehr haben. Diese an Murnaus Nosferatu erinnernde Szene hallt immer wieder, vor allem visuell, im Film wieder, wenn Figuren von der einen in die andere Welt schreiten und gleichsam die Grenzen immer wieder verwischen.
Wie in noch etlichen Fortsetzungen kulminiert dieser Konflikt in den Personen Dracula und van Helsing, verkörpert von Peter Cushing und Christopher Lee. Während der eine den distanziert wirkenden, fest entschlossenen Mann der Wissenschaft spielt, gelingt Lee eine ambivalente Vorstellung zwischen Verführer und reißender Bestie. Zwar kann man dieser Darstellung eine gewisse Theatralik nicht absprechen, aber ohne Wirkung bleibt sie nicht, was die Szenen der beiden immer wieder zu Höhepunkten im Film macht, die nicht zuletzt durch die dramatische Musik James Bernards betont werden.
(Anzeige)