Kaum ein Ort in Südkorea wird mehr gefürchtet als die psychiatrische Anstalt Gonjiam, in der sich in den 1970ern massenhaft Patienten das Leben nahmen. Aber vielleicht starben sie auch nicht freiwillig, so wird gemunkelt, die Leitung soll Gerüchten zufolge eigentlich dahinterstecken. Eines ist jedoch klar: Kein normaler Mensch würde freiwillig einen Fuß in das inzwischen leerstehende Gebäude setzen. Nun ist Ha-Joon (Ha-Joon Wi) aber kein normaler Mensch, sondern Leiter eines überaus erfolgreichen YouTube-Channels namens „Horror Stories“, der eben solchen Phänomen auf der Spur ist. Also versammelt er ein Team aus Freiwilligen, das mit Kameras bewaffnet dort mal nach dem Rechten schauen soll und bald mehr zu sehen bekommt, als ihm lieb ist …
Eine Zeit lang, es ist nun einige Jahre her, da gab es im Horror-Segment praktisch kein Entkommen vor den Found-Footage-Vertretern: Filme, die sich besonders authentisch gaben, wie Dokumentationen, indem das Publikum vermeintliche Amateuraufnahmen aus dem echten Leben zu sehen bekamen. Diese Methode ist nicht ganz neu, eigentlich sogar ein paar Jahrzehnte alt. Nach ersten Erfolgen mit The Blair Witch Project und später Paranormal Activity wollten aber viel zu viele auf diesen Zug einsteigen, weshalb dieser irgendwann krachend entgleiste. Die Vorzeigereihen lockten immer weniger Zuschauer an, die ganzen Nachahmer sowieso nicht. Inzwischen ist Found Footage noch toter als die Geisterwesen, die hier angeblich das erste Mal bewiesen werden konnten.
Der unbekannte Riesenhit
Wohl auch deshalb hat es Gonjiam: Haunted Asylum nie offiziell zu uns geschafft, obwohl der südkoreanische Titel in der Heimat ein riesiger Erfolg war. Mehr als 2,6 Millionen Zuschauer haben den Film dort letztes Jahr gesehen, das reichte für einen Platz unter den ersten 30 der Jahrescharts 2018. Auch hiesige Festivals ignorierten den Kassenschlager. Horrorfans mussten schon ins Ausland fahren, beispielsweise zum /slash Festival 2019, um das Werk zu sehen. Lohnt sich die Fahrt dafür? Jein. So richtig viel anders macht dieser Vertreter nicht, vermutlich wäre er wirklich im DVD-Sortiment etwas untergegangen. Aber er macht seine Sache doch recht ordentlich.
Dafür heißt es jedoch erst einmal, das erste Drittel zu überstehen. Ganz so wie es die Found-Footage-Formel vorgibt, stellt Gonjiam: Haunted Asylum erst einmal in aller Ausführlichkeit das Szenario und die Figuren vor. Gewissermaßen. Wir sind dabei, wenn das Team beim Kaffee sitzt und schon die Kameras laufen hat, so als Aufwärmübung. Auch andere komplett banale Szenen sind dabei, welche den Eindruck erwecken sollen, dass wir es hier mit normalen Menschen und dem realen Leben zu tun haben, nicht Schauspielern aus einem Film. Spannend ist das nicht, originell sowieso nicht, die Geduld wird auf eine härtere Probe gestellt als die Nerven. Immerhin: Die Truppe wirkt einigermaßen sympathisch, was in diesem Umfeld nicht selbstverständlich ist.
Nervenaufreibender Endspurt
Geht es erst einmal zur Sache, zeigt Gonjiam: Haunted Asylum dann doch noch, warum die Südkoreaner massenhaft in die Kinos rannten. Zwar wurde der Film nicht an dem Originalort gedreht, der von CNN Travel als einer der sieben unheimlichsten Plätze der Erde bezeichnet wurde, die Nachbildung erfüllt aber ihren Zweck. Enge, dunkle Gänge, vollgestopft mit verrottenden Möbel, blassen Erinnerungen an die Menschen, die damals hier lebten, dazu jede Menge Dreck: Das sorgt schon für eine ganz gute Atmosphäre. Zudem hat sich Regisseur und Co-Autor Bum-shik Jung noch ein paar nette Gemeinheiten einfallen lassen. Zum Ende hin wird es sogar richtig hart, einige der Szenen gehören tatsächlich zu den besten, die man im Found-Footage-Bereich bislang hat sehen dürfen. Und hören.
Ob sich der ganze Aufwand für die paar Minuten Hochspannung lohnt, darüber kann man geteilter Ansicht sein. Gonjiam: Haunted Asylum fehlt der Mut, um sich von der Genreschablone zu lösen, vielleicht fehlen auch insgesamt die Ideen. Und selbst wenn die Figuren größtenteils in Ordnung gehen, am Ende wird man sie kaum auseinanderhalten können im dunklen Nichts – was keine besonders gute Voraussetzung ist für die Anteilnahme. Und doch ist die südkoreanische Variante einer der atmosphärischeren und besseren Found-Footage-Vertreter, die Missachtung im Westen ist eher Ausdruck des unglücklichen Timings als einer mangelnden Qualität.
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