Guest of Honour Der Ehrengast
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Guest of Honour

Schon seit vielen Jahren arbeitet Jim (David Thewlis) für das Gesundheitsamt, was ihm einen gewissen Ruf unter vielen Gastwirten eingebracht hat, die sein Urteil fürchten. Gewissenhaft geht er seiner Arbeit nach, nimmt jedes Detail unter die Lupe, jedoch fühlt er, dass er im Falle seiner Tochter an einer Stelle versagt hat. Veronica (Laysla De Oliveira) ist nämlich im Gefängnis, da sie ihre Position als Lehrperson ausgenutzt und einen Schüler verführt haben soll. Auch wenn Jim weiß, dass dies nicht stimmen kann, betont seine Tochter bei den vielen Besuchen und Gesprächen, sie habe eine Strafe bekommen, die sie verdiene. Verzweifelt beschließt Jim selbst Ermittlungen anzustellen, die ihn nicht nur zu dem besagten Schüler (Rossif Sutherland) führen, sondern zudem in die Geschichte der eigenen Familie zu einem Moment, der die Distanz zu Veronica erklären könnte.

Das Prisma eines Lebens
Als der kanadische Regisseur Atom Egoyan (Das süße Jenseits, Exotica) anlässlich der Aufführung seines neuen Films Der Ehrengast gefragt wurde, welchen Regisseur er einmal gerne selbst am Set erlebt hätte, muss er nicht lange nachdenken. Natürlich würde er Alfred Hitchcock bei den Dreharbeiten zu seinem Meisterwerk Vertigo – Aus dem Reich der Toten beobachten und selbst sehen wollen, wie der Altmeister mit seinen Schauspielern arbeitet. Neben den intensiven Darstellungen, zu denen er James Stewart und Kim Novak motivierte, fasziniere Egoyan, beschreibt er im Interview mit dem Online-Magazin Collider, sei es zudem das Spiel mit der Erinnerung sowie das Schaffen von Spannung, indem man Hitchcock dem Zuschauer immer wieder Informationen vorenthalte.

Zwar fällt ein Film wie Der Ehrengast nicht ins Thriller-Genre, zu welchem man Hitchcocks Film gerne zählt, dennoch verbindet beide Geschichten eine formale und thematische Verwandtschaft. Die von Egoyan selbst als „prismatisch“ bezeichnete Herangehensweise bei seinen Filmen gleicht dem Spiel mit der Erinnerung sowie dem Konflikt von Wahrheit und Täuschung, welches Hitchcock mit so großer Lust gespielt hat. Egoyan verlangt eine gute Kombinationsgabe von seinem Publikum, da sich die dramatische Wucht seiner Erzählung, die Dimensionen der Konflikte und Charaktere erst nach und nach erschließen, während der Film immer wieder neue Ebenen dieses narrativen Puzzles liefert.

Im Falle von Der Ehrengast wird dies nicht selten sehr kompliziert. Neben einer Fülle an Charakteren, die allesamt einen interessanten und komplexen Hintergrund haben, springt der Film zwischen verschiedenen Zeitebenen, ähnlich dem bisweilen konfusen, assoziativen Vorgang des eigenen Erinnerns. Der Mangel an formaler Linearität mag verwirren, spiegelt aber zugleich den zerschlagenen Zustand der Figuren wider, deren Schuld und Verletzungen ihnen den Blick auf das geordnete Ganze versperren.

Du hörst von ihm, aber siehst ihn nie.
Bei einem Ensemble-Film wie Der Ehrengast ist es immer schwierig eine Leistung hervorzuheben. Egoyans sensible Regie- und Schreibstil lassen talentierten Darstellern wie David Thewlis oder Laysla De Oliveira genug Raum ihren Charakter, ähnlich wie der Zuschauer, in jeder Szene neu zu entdecken, neue Zusammenhänge und Gefühle zu offenbaren. Im Rahmen der Vater-Tochter-Beziehung dient die Kommunikation, wie bereits erwähnt, dem Vorenthalten von Informationen voneinander. Die emotionale Grenze, spürbar in jedem der langen Dialoge, definiert sich durch Anschuldigungen auf der einen Seite und dem Schutz vor der Wahrheit auf der anderen Seite.

Die Kamera Paul Sarossys kommt den Charakteren bei diesen Szenen sehr nahe, gibt Einblicke in die emotionale Aufgewühltheit, die Frustration sowie die stille Trauer, die beispielsweise Jim mit sich trägt. Immer wieder wird einem bewusst, welches Bild die Figuren von ihrem Leben hatten – ähnlich den Erwartungen, die Jim an Restaurantbesitzer richtet – und welche Kluft sich mit der Zeit ergeben hat. Details wie das Passwort eines Handys, eine Hasenpfote oder eine Hand, die man hält, können Auskunft über diese Kluft geben, über diese Trauer und diese Schuld.



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"Der Ehrengast" ist ein sensibler Film über Erinnerung und Schuld, aber auch über die Möglichkeit einer Versöhnung. Clever geschrieben sowie formal komplex ist Atom Egoyan ein Drama gelungen, welches auf visueller und schauspielerischer Ebene zu überzeugen vermag.
8
von 10