Wiedergutzumachen hat Richard (Christopher Gray) so einiges, als er mal wieder seine Wut nicht unter Kontrolle bringt und seinen besten Freund Jonah (Munro Chambers) windelweich prügelt. Und das nur, weil er dachte, der hätte was mit seiner Freundin Sasha (Emily Tyra) laufen. Aber alles nur ein Missverständnis. Und so lädt er die beiden auf einen gemeinsamen Tagesausflug ein, an Bord seiner Yacht. Ein bisschen die Sonne und das Meer genießen, die Seele baumeln lassen und wieder zur Ruhe kommen. Doch der unschöne Zwischenfall zuvor hat Spuren hinterlassen, gute Laune hat keiner der drei. Und das ist nur der Anfang, auf hoher See kommen auf einmal Dinge zur Sprache, die aus gutem Grund lange verschwiegen wurden …
Mit anderen Leuten auf engem Raum eingesperrt zu sein, ist nie eine schöne Erfahrung. Nicht einmal in Harpoon, wo die Leute deine besten Freunde sind und das Drumherum das Meer unter strahlender Sonne. Denn beides hat seine Tücken, die das idyllische Setting nicht dauerhaft verbergen kann. Es aber auch gar nicht will. Dass die drei Freunde sind, ist dann auch nur reine Gewohnheit, wie uns der unbekannte, dafür allwissende Erzähler zum Auftakt verrät. Als Zuschauer erfährt man nicht, wann und wie sie Freunde wurden. Man erfährt noch weniger, warum sie je Freunde waren, so vergiftet die Beziehung zwischen ihnen ist. Oder auch warum überhaupt jemand mit ihnen befreundet sein wollte, so unangenehm wie sie sind.
Glücklich, wer keine Freunde hat …
Das ist für die Betroffenen natürlich tragisch, wenn jedes Wort eins zu viel sein kann, jede miteinander verbrachte Minute einem Zündeln im Dynamitlager gleich kommt. Für das Publikum ist es das hingegen weniger. Im Gegenteil: Harpoon ist einer dieser Filme, bei denen der Spaß darin liegt, dass er mit der Zeit immer mehr eskaliert. Dass er das tun wird, ist schon dank der Anfangsszene abzusehen, wenn Jonah fast tot geprügelt wird, noch bevor er das erste Wort sagen kann. Und das wird nicht das einzige Beispiel unkontrollierter, manchmal auch kontrollierter Gewalt sein. Nicht ohne Grund wird die kanadische Produktion hierzulande auch im Rahmen des Fantasy Filmfests 2019 gezeigt. Das weckt gewisse Erwartungen, die hier auch tatsächlich alle erfüllt werden.
Das soll jedoch nicht bedeuten, dass Harpoon vorhersehbar wäre. Der grundsätzliche Ablauf mag das schon sein. Doch die Art und Weise, wie Regisseur und Co-Autor Rob Grant den Freundschaftstrip aus dem Ruder laufen lässt, die birgt schon eine Reihe von Überraschungen. Immer wieder passiert etwas Unvorhergesehenes, die Geschichte hat so viele Wendungen, dass sie längst das Boot hätte zum Kentern bringen müssen. Der Film hält aber unbeirrt Kurs, findet unterwegs immer neue menschliche Abgründe, die er ganz gezielt ansteuert, während das Szenario selbst jeden Fortschritt verhindert. Denn die drei sind Gefangene. Gefangene ihrer Lage. Gefangene einer Freundschaft, die sie längst hätten beenden sollen. Gefangener auch von sich selbst und der eigenen Unfähigkeit, mit Krisensituationen umzugehen. Zudem hat die Atmosphäre etwas leicht Klaustrophobisches, obwohl drumherum das weite Meer ist und man bis zum Horizont blicken kann.
Die Freude an der Hässlichkeit
Daraus hätte man natürlich ein Drama basteln können. Oder einen reinrassigen Thriller. Letzterem kommt Harpoon durchaus nahe, wenn die Situation immer bedrohlicher wird und man nicht weiß, worauf das Ganze noch hinauslaufen wird. Grant garniert diesen Alptraumtrip aber mit jeder Menge Humor. Einem sehr schwarzen Humor. Ob es der Erzähler ist, der süffisant alles kommentiert, was an Bord geschieht, die zahlreichen Missgeschicke, die unterwegs geschehen oder auch die Art und Weise, wie die drei übereinander herfallen, hier heißt es sich am Unglück anderer zu erfreuen. Was bei diesem Trio nicht sonderlich schwierig ist. Bei ihnen drückt man nicht die Daumen, dass ihm nichts passiert. Man drückt die Daumen, dass etwas passiert.
Wirklich clever ist das nicht. Die diversen Flashbacks, Rückverweise oder anderen unerwarteten Einschübe dienen in erster Hinsicht der Unterhaltung, komplexer wird die Geschichte dadurch nicht. Harpoon ist trotz der Umwege ein recht geradliniger Film, der mit einer schlimmen Situation startet und diese im Laufe von gut 80 Minuten kontinuierlich schlimmer macht. Aber es macht Spaß. Die Mischung aus schwarzer Komödie und Thriller, die beim International Filmfest Rotterdam 2019 Premiere feierte, ist ein echter Crowdpleaser, zumindest bei einem Publikum, der das Gemeine zu schätzen weiß, vielleicht auch einen kleinen Hang zur Schadenfreude hat. Wer mit diesen Eigenschaften ausgestattet ist, sollte unbedingt mit an Bord gehen und sich glücklich schätzen, das Trio nicht zu den eigenen Freunden zählen zu müssen.
OT: „Harpoon“
Land: Kanada
Jahr: 2019
Regie: Rob Grant
Drehbuch: Rob Grant, Mike Kovac
Musik: Michelle Osis
Kamera: Charles Hamilton
Besetzung: Munro Chambers, Emily Tyra, Christopher Gray
International Film Festival Rotterdam 2019
Fantasia Filmfest 2019
Fantasy Filmfest 2019
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