Olivia (Isabel Sandoval) sah sich schon beinahe am Ziel. Mit dem Geld, das sie als Pflegerin der russischen Großmutter Olga (Lynn Cohen) verdient, wollte sich die Philippinerin den Traum einer Green Gard finanzieren – als Mitgift bei einer Scheinehe. Doch aus dem Plan wurde nichts, als der designierte Bräutigam sich für eine andere entscheidet und sie nun mit leeren Händen dasteht. Und mir richtig viel Angst, denn sie muss jeden Tag aufs Neue fürchten, abgeschoben zu werden. Da begegnet sie Olgas Enkel Alex (Eamon Farren). Der hat zwar noch nie wirklich was auf die Reihe bekommen, entwickelt dafür echte Gefühle für Olivia. Die hat nur ein Problem, trägt sie doch noch ein weiteres Geheimnis mit sich herum …
In den Zeiten von Donald Trump muss sich bekanntlich jeder auf Diskriminierung gefasst machen, der anders ist. Die meisten Schlagzeilen gehen dabei auf die vergeblichen Versuche, eine Mauer im Süden der USA zu errichten, um die Horden von Eindringlingen abzuhalten. Etwas weniger viel Aufmerksamkeit erhalten Trumps regelmäßigen Maßnahmen, um Transsexuellen das Leben schwerer zu machen. Ob nun beim Militär, der medizinischen Versorgung oder schon bei der bloßen Anerkennung ihres Sonderstatus: Wenn es nach dem Präsidenten ginge, er würde das Phänomen der Transsexualität am liebsten gleich ganz verbieten.
Die doppelt Ausgestoßene
Man kann daher nur erahnen, wie es sich derzeit anfühlen muss für Isabel Sandoval, in den USA zu leben und zu arbeiten. Oder man kann ihren neuesten Film Lingua Franca anschauen, der zwar nicht unbedingt autobiografisch ist, aber sicherlich jede Menge eigene Gefühle mit ins Spiel bringt. Sandoval, die hier Regie führte, das Drehbuch schrieb und auch noch die Hauptrolle übernahm, stammt wie ihre Hauptfigur von den Philippinen und teilt auch deren Transsexualität. Dass ein solcher Mensch gleich doppelt unerwünscht ist im neuen großartigen Amerika, braucht keine besondere Betonung. Auch nicht, wie verzweifelt die Lage ist.
Lingua Franca, das auf den Venice Days der 2019er Filmfestspiele von Venedig seine Weltpremiere hatte, lässt es sich dennoch nicht nehmen, vieles dann doch noch etwas expliziter zu machen. Die Angst vor der Abschiebung, die Olivia bis in den Schlaf verfolgt, liegt wie ein Schatten über ihrem Leben, selbst in den schöneren Momenten. Und auch die Schwierigkeiten eines Menschen, der durch eine Operation sein biologisches Geschlecht anpasste, werden nicht verschwiegen. Wobei das Drama zumindest an der Stelle Zurückhaltung zeigt. Die Irritation von Alex ist lediglich temporär. Der Film will bei aller Dramatik doch auch ein wenig Hoffnung spenden in diesen nicht immer hoffnungsvollen Zeiten.
Zwischen Doku und Theatralik
Von einem Feel-Good-Film ist Lingua Franca dann aber doch noch ein gutes Stück entfernt. Dafür ist Sandoval auch zu sehr darum bemüht, die Schwierigkeiten der illegalen Einwanderer aufzuzeigen, so wie sie auch in der Realität stattfinden. Teilweise gelingt ihr das ganz gut, der Film hat eine dokumentarische Note an sich und zeigt sich gern von einer etwas raueren Seite. Teilweise sind die Dialoge aber schon recht holprig bis plump, so als würde sie dem Publikum nicht trauen, die Aussagen anderweitig zu verstehen.
Ganz glücklich ist dieser Mix aus Authentizität und Aufdringlichkeit nicht: Für die einen passiert hier zu wenig, für die anderen zu viel. Da wäre es doch besser gewesen, sich für eine von beiden Richtungen zu entscheiden. Inhaltlich wichtig ist der Film aber trotz dieser wenig ausgeglichenen Natur, und sei es nur, um den Zuschauern und Zuschauerinnen zu zeigen, was es wirklich bedeutet, als illegaler Einwanderer irgendwo zu hocken und kontinuierlich um jedes Stück Hoffnung auf ein normales Leben kämpfen zu müssen.
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