Erfolge hatte Emma Larsimon (Victoire Du Bois) jede Menge. Ihre Horrorbücher über die bösartige Hexe Marianne erfreuen sich großer Beliebtheit, ihre Lesungen sind gut besucht. Auf einen Besuch hätte sie dabei jedoch gern verzichten können: Eine alte Bekannte kommt vorbei und erzählt irgendwelches wirres Zeug über ihre Mutter und Marianne. Eigentlich hätte Emma das alles als Blödsinn abtun können, zumal sie ohnehin mit diesen Büchern aufhören wollte. Doch die schrecklichen Verletzungen, die besagte Bekannte mitbringt, lassen sie dann doch nicht so ganz los. Und das ist nicht der einzige furchterregende Anblick, der sich ihr bieten wird. Als sie in ihre alte Heimat zurückkehrt, muss sie feststellen, dass der vermeintlich ausgedachte Horror nur allzu real ist …
Bis Halloween dauert es noch ein Weilchen, der eine oder andere Horrorfan mag vielleicht auch nach wie vor im Sommermodus sein. Aber so langsam kann man dann ja anfangen mit den schrecklichen Geschichten, die im Oktober wie eine Flutwelle über einen hereinbrechen. Es Kapitel 2 zeigte schließlich erneut, dass der September für gute Einspielergebnisse in dem Genre gut ist. Und auch Netflix hat ein Herz für das darbende Schauerpublikum und bringt mit der französischen Eigenproduktion Marianne wieder düsteren Nachschub unters Volk – standesgerecht an einem Freitag dem 13.
Zwischen Fiktion und echtem Horror
Aber auch wenn die Serie nach der finsteren Hexe benannt ist, die im Kopf von Emma herumspukt, im Mittelpunkt steht dann doch die Autorin selbst. Marianne tritt damit in die Fußstapfen diverser Genrekollegen, bei denen ebenfalls Verfasser unheimlicher Geschichten selbst Teil einer solchen werden. Stephen King griff solche Konstellationen immer mal wieder gerne auf, etwa in Shining oder Stark – The Dark Half. Und warum auch nicht? Wenn Menschen sich die furchtbarsten Dinge ausdenken, um sie auf Papier zu bringen, stellt man sich schon manchmal die Frage, wo das alles herkommt. Was Inspirationen sein können für solche Albträume. Aber auch: Was macht es mit einem Menschen, wenn er sich tagein, tagaus mit diesen Abgründen befasst? Da kann man schon mal seine geistige Gesundheit verlieren.
Die Figur der Emma ist dann auch einer der interessantesten Aspekte der Serie. Wo sonst in dem Bereich gerne mit Helden und Heldinnen hantiert wird, damit das Publikum schön mitfiebern kann, da würde man die von Serienschöpfer Samuel Bodin erdachte Protagonistin wohl kaum als solche bezeichnen wollen. Sie trinkt, ist überheblich, nutzt andere Leute aus und kennt so gar keine Grenzen. Ein größerer Handlungsstrang betrifft beispielsweise ihren Exfreund Séby (Ralph Amoussou), den sie ungehemmt anbaggert, obwohl er längst anderweitig vergeben ist und im Begriff, Vater zu werden. Nett ist das nicht gerade. Im wahren Leben würde man dann auch nicht unbedingt Zeit mit ihr verbringen wollen, als bloßer Zuschauer macht das aber durchaus Spaß – auch weil Darstellerin Victoire Du Bois sehr viel aus der Rolle herausholt.
Alles schon mal gesehen
Ansonsten ist Marianne inhaltlich aber nicht so wirklich erwähnenswert. Anfangs spielt die Serie noch mit dem Mystery-Genre, wenn sich nicht nur Emma fragt, was das alles zu bedeuten hat. Bodin hat aber gar nicht vor, das Publikum zu lange auf die Folter zu spannen. Was genau hinter der Geschichte steckt, wird recht früh verraten. Die letzten paar offenen Fragen werden mithilfe von Flashbacks geklärt. Grundsätzlich ist die Verbindung aus einem erlebten Horror und einem mithilfe von Schreiben verarbeiteten durchaus nett. Es wird nur nicht so viel aus dem Ganzen herausgeholt, Bodin ist letztendlich nicht mehr zum Thema eingefallen als das, was gleich zu Beginn etabliert wird. Danach heißt es abwarten und die üblichen Genre-Stationen abklappern, Überraschungen gibt es hier praktisch keine.
Aber auch bei der Spannung wäre mehr drin gewesen. Dabei ist der Einstieg sogar sehr gut: In den ersten Folgen von Marianne wird mehr Horror und Unbehagen verbreitet als in den meisten Kinofilmen, die sich zuletzt an dem Genre versucht haben. Doch das ist relativ schnell alles wieder vorbei, danach gibt es nur recht gewöhnliche Jump Scares, die ihren Zweck erfüllen, mehr aber auch nicht. Zudem hat die Serie mit dem nicht immer üppigen Budget und seltsamen Tonalität-Schwankungen zu kämpfen. An manchen Stellen erinnert das mehr an Teenieproduktionen, an anderen wird auf die Humorschiene gewechselt – beides ist nicht unbedingt förderlich, um eine Atmosphäre des Grauens aufrecht zu erhalten. Die sehr uneinheitliche Qualität ist sehr schade, da die anfängliche Hoffnung auf ein echtes Genre-Highlight sich so nicht bewahrheitet. Insgesamt reicht es aber für ein solides Mittelfeld, zumal die erste Staffel mit acht Folgen auch angenehm kurz ist und sich für gepflegte Wochenend-Binge-Sessions anbietet.
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