The Hidden City
© UCM.one

The Hidden City

The Hidden City
„The Hidden City“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Mit der Geburt der Moderne Anfang des letzten Jahrhunderts erfand sich auch das Konzept der Stadt neu. Schon durch die Industrialisierung zu einem urbanen Ballungsraum geworden, erwuchs die Idee der Metropole, eines pulsierenden Raumes, in dem sich Menschen begegnen, leben und sterben. Das moderne Habitat des Menschen wuchs immer höher und ergoss sich in die Breite, und nicht zuletzt wurde die Individualität der Stadt geboren aus Geschichte, Bevölkerung und Technik. Letztlich erwuchs gar das Paradoxon der Großstädte, die gleichzeitig sehr einförmig wie auch mannigfaltig in ihrem Erscheinungsbild sein können.

Jedoch funktioniert jede Stadt auf Basis eines Systems, welches sich unseren Augen verschließt, sich vor ihnen versteckt oder gar von uns ignoriert wird. Wurde der urbane Raum doch bereits millionenfach innerhalb der Kunst erschlossen, so gibt es doch wenig zu sagen oder zu zeigen über das „dunkle Spiegelbild“ unseres Lebensraumes, welcher sich unter unseren Füßen befindet. Die Idee der uns unbekannten, aber dennoch real existierenden Räume innerhalb unserer Vorstellung von Moderne war es auch, die den spanischen Filmemacher Victor Moreno zu seinem dritten Langfilm, der Dokumentation The Hidden City, inspirierte.

Der Film folgt dem Untergrundsystem der Stadt Madrid, einem schier endlosen Werk aus Tunneln, U-Bahn-Stationen und Versorgungstunneln, aller verschlossen unter dem beinahe undurchdringlichen Nebel der Dunkelheit. Auf diesem Trip beobachtet Jose A. Alayóns Kamera die Bewohner dieses Untergrunds, von Arbeitern bis hin zu Tieren wie Ratten, Insekten, Katzen und Eulen, die sich bisweilen dort verlaufen. Fasziniert zeigt der Film die Abläufe in dieser „versteckten Stadt“, die uns immer nah ist, aber so gut wie nie Teil unserer täglichen Wahrnehmung ist.

Negativ der Stadt
Zunächst sei gesagt, dass es tiefer Ernst des Filmemachers ist, wenn er bittet, sich seinen Film bei kompletter Dunkelheit und einem guten Soundsystem anzusehen. Man mag bei Tageslicht den Bildern, wie auch den Klängen dieses Alltags im Untergrund wenig abgewinnen können, wirken sie doch eher monoton, unspektakulär und spröde. Diese Herangehensweise ignoriert die Struktur der Räume, die Moreno in seinem Film zeigt und die eine Art Spiegelbild der Stadt darstellen, oder besser noch eine Art Negativ.

Was vielleicht wie eine Laune des Filmemachers anmutet, ist viel mehr eine Einladung zu einem Experiment, die eigene Wahrnehmung umzukehren. Definieren wir unsere Umwelt in erster Linie visuell, bietet die Dunkelheit in The Hidden City wenig Spielraum für diese Form des Verständnisses der Welt. Im Untergrund, so scheint es Morenos Film zu betonen, gelten andere Regeln, an die man sich anpassen muss, so wie die Bewohner dieser versteckten Räume, welche diesen Prozess abgeschlossen haben. Hat sich einmal diesem Experiment geöffnet, bemerkt man eine Verwandlung dieser Räume, eine Transformation, deren Ablauf in erster Linie auditiv definiert wird.

Von der ersten Minute an ergibt sich eine interessante Diskrepanz zwischen dem Gesehenen und dem Gehörten. Die urbane Klangwelt, die in wenigen Szenen fast wie eine nebulöse Erinnerung an den Zuschauer herantritt, wurde abgelöst durch einen Wechsel zwischen eintönigem Lärm und der Erfahrung von Stille. In diesen langen, labyrinthartigen Tunneln herrscht das Schweigen, die Einsamkeit, durchbrochen nur durch ein tiefes Rauschen, was immer wieder an das Schlafen eines mächtigen Tieres erinnert.



(Anzeige)

„The Hidden City“ lädt den Zuschauer ein, eine neue Welt zu erfahren. Dank des überzeugenden Sounddesigns, der Aufnahmen sowie der Konsequenz, mit der Moreno und sein Team ihre Vision verfolgen, kann sich das Publikum auf einen ganz besonderen Film freuen, der die eigene Wahrnehmung mehr als nur einmal vor die Probe stellt.