The Spy Netflix
© Canal+/Netflix
The Spy Netflix
„The Spy“ // Deutschland-Start: 6. September 2019 (Netflix)

Richtig aufregend ist das Leben von Eli Cohen (Sacha Baron Cohen) nicht gerade, sieht man einmal von der täglichen Diskrimination an, die der in Ägypten geborene Jude ertragen muss. Dabei würde er seiner Frau Nadja (Hadar Ratzon Rotem) gern so viel mehr bieten als das. Schon länger träumt er deshalb davon, für den israelischen Geheimdienst zu arbeiten. Das würde seinem Leben nicht nur einen Sinn geben, sondern auch ein bisschen mehr Wohlstand bringen. Tatsächlich wird er dort nach mehreren erfolglosen Anläufen auch tatsächlich aufgenommen. Doch ganz nach Plan verläuft die Arbeit nicht. Immer wieder muss er Nadja anlügen, sich irgendwelche Ausreden einfallen lassen – vor allem, als er als Spion nach Syrien geschickt wird, um dort den Kontakt zu einigen mächtigen Leuten zu suchen …

Wenn Sacha Baron Cohen für eines bekannt ist, dann für seine Wandlungsfähigkeit und seine zuweilen grotesken Verkleidungen. Damit hat er eine Reihe unvergesslicher Charaktere geschaffen, von Ali G über Brüno bis zu Borat, einer absurder als der andere. Ihn einen Spion spielen zu lassen, dessen Lebensinhalt darin besteht, fiktive Persönlichkeiten zu spielen, das ist da natürlich naheliegend. Gleichzeitig ist es das aber auch nicht. Denn anders als in Der Spion und sein Bruder, wo er schon einmal einen Geheimagenten mimte, ist The Spy keine Komödie. Tatsächlich ist die Coproduktion des französischen Senders Canal+ und Netflix sogar ausgesprochen tragisch.

Hab’s eilig, muss das Land retten!
Zugrunde liegt der Serie dabei Eli Cohen, der Anfang der 1960er als Mossad-Agent in Syrien unterwegs war und sich dort nach und nach das Vertrauen des Militärs und anderer einflussreicher Leute erschlich. Das ging ausgesprochen schnell, musste es zumindest hier, bei gerade mal sechs Folgen bleibt nicht viel Zeit für Entwicklungen. Vor allem der Einstieg ist schon recht rasant, wenn der Schauspieler Cohen – nicht verwandt mit seinem Namensvetter – von einem einfachen Angestellten zu einem Agenten wechselt, der sich auch der größten Gefahr stellt, obwohl er kaum darauf vorbereitet ist.

Wer deshalb erwartet, The Spy würde die Vorbereitung abkürzen, um möglichst viel Agenten-Action zu zeigen, der sieht sich dennoch getäuscht. Cohen läuft nie mit einer Pistole herum oder liefert sich rasant geschnittene Verfolgungsjagden quer durch Basare. Seine Waffe ist das Talent, Leute für sich einzunehmen, ganz in seiner Rolle aufzugehen und auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Von denen gibt es natürlich schon welche. Spannung entsteht hier aber vorrangig durch die Frage, ob er entdeckt wird bzw. seine Tarnung auffliegt. Allein mitten Feindesland, umringt von Leuten ohne große Skrupel, da muss gar nicht so wahnsinnig viel passieren, um das Publikum an die Bildschirme zu fesseln.

Der Mensch hinter der Maske
Gideon Raff (The Red Sea Diving Resort), der die Serie entwickelte, die Drehbücher schrieb und auch Regie führte, möchte dies jedoch auch mit einem Charakterporträt verbinden. Wer ist dieser Eli überhaupt? Und was macht es mit einem Menschen, wenn er sein eigenes Leben komplett töten muss, um seiner Arbeit nachzugehen? The Spy erinnert hier an das unlängst im Kino angelaufene Thrillerdrama Die Agentin, auch dort war jemand zwischen zwei Leben gefangen. Der Unterschied: Während die Kollegin zum Wohle ihrer Aufgaben die eigene Identität vollkommen eliminiert hatte, schwankt der Titelheld hier kontinuierlich zwischen seinem Privatleben als verheirateter Mann und seinem Agentendasein. Dass das nicht vereinbar ist, ist klar, soll es auch gar nicht sein.

Das ist manchmal etwas dick aufgetragen. Gerade zum Ende hin lässt sich Raff schon recht gehen bei seinen dramatischen Ambitionen. Die Geschichte selbst hätte das so gar nicht gebraucht, die Tragik wäre auch ohne den Holzhammer spürbar gewesen. Immerhin verkniff sich die Serie, zu sehr die Partei für die Israelis zu ergreifen. Sympathieträger sind nämlich auf beiden Seiten rar gesät, so rar, dass man gar nicht so genau weiß, ob man überhaupt für eine der beiden Seiten sein sollte. Sehenswert ist The Spy trotz dieser moralischen Ambivalenz, zudem ein Beweis dafür, dass der Schauspieler Cohen mehr kann als nur Komik, er keine grotesken Kostüme braucht, um in eine fremde Rolle zu schlüpfen. Da auch die Ausstattung ganz schön geworden ist, trotz der etwas unnötig eigenwilligen Farbpalette, gehört die Serie zu den besseren, die zuletzt bei Netflix erschienen sind.



(Anzeige)

„The Spy“ erzählt die wahre und tragische Geschichte eines ägyptischen Juden, der für die Israelis Anfang der 60er Syrien ausspionierte. Sacha Baron Cohen zeigt hierbei erneut seine Wandlungsfähigkeit, dieses Mal jedoch fernab jeglicher Komik, wenn er einen Mann verkörpert, der zwischen zwei Welten hin und her gerissen ist. Das ist auch spannend trotz der nur sparsamen Actionszenen.
7
von 10