In den letzten Monaten und Jahren dominierten in den Nachrichten viele Ereignisse, die durch Fremdenhass verursacht oder zumindest verstärkt wurden. Ob es nun das Erstarken der Rechten in ganz Europa ist, die Brexit-Groteske oder Trumps pathologische Fixierung auf eine Mauer, um die bösen Invasoren fernzuhalten: Rassismus ist wieder in! Dabei ist das natürlich kein Vorrecht Europas oder der USA. Und es ist auch kein neues Phänomen, wie Thinking Like a Mountain demonstriert, das uns mitnimmt in die hohen Berge Kolumbiens. Denn hier leben Menschen, die schon vor langem vertrieben wurden.
Anders als der Titel vermuten lassen könnte, ist Thinking Like a Mountain keine Naturdoku im Stil von Mountain oder This Mountain Life – Die Magie der Berge, welche die Schönheit der Berge zelebriert. Möglich wäre das durchaus gewesen, die wunderbaren Aufnahmen von Immanuel Hick wecken zumindest die Lust, seinen Rucksack zu packen und die abgelegene Gegend Südamerikas zu erkunden. An einzelnen Stellen macht sich auch dort die Gegenwart bemerkbar. Der Tourismus hat zugenommen. Auch der Klimawandel hinterlässt seine Spuren. Und doch herrscht hier noch der Zauber einer vergangenen Welt.
Im Geist der Vergangenheit
Das liegt auch daran, dass die Arhuacos – besagtes indigenes Volk – sehr auf darauf achtet. Sie bewahren ihre Traditionen, sowohl für sich wie auch die Touristen, die ein bisschen Exotik mit nach Hause nehmen wollen. Vor allem aber wollen sie die Natur bewahren, die für sie schon immer mehr war als eine bloße Ressource. Während im benachbarten Brasilien die grüne Lunge brennt, weil Platz für mehr Rind gebraucht wird und man sich allein auf die Gegenwart versteift, da verstehen sich die Eingeborenen als Hüter eines Kreislaufes, der schon lange vor ihnen existierte und der, so die Überzeugung, sie auch überdauern soll.
Dabei waren die Arhuacos gar nicht immer hier. Eigentlich entstammen sie einer Kultur, die zuvor in ganz Kolumbien zu Hause war, bevor sie von Siedlern, Soldaten, später auch Mönchen immer weiter hinauf in die Berge vertrieben wurden. Auch davon erfährt das Publikum bei Thinking Like a Mountain. Regisseur Alexander Hick nimmt einen immer wieder mit in die Vergangenheit des Landes und der Kultur, erzählt auch mit zahlreichen historischen Aufnahmen von dem Schicksal der Menschen, die den Eindringlingen nichts entgegensetzen konnten – bis auf ihren unerschütterlichen Glauben.
Lasst die Natur leben!
Der ist noch immer da, auch wenn der Rest der Welt relativ wenig Notiz von ihm nimmt. Ein Jahr hat Hick bei den Menschen dort gelebt, hat ihnen zugehört, wenn sie sich an früher erinnern. Vor allem aber die aktuelle Situation wird regelmäßig verdeutlicht. Der Dokumentarfilm erzählt von den Versuchen der Arhuacos, sich ihre Kultur zu bewahren und wie sie um die Natur kämpfen. Denn auch wenn die Situation in Kolumbien nicht so verheerend sein mag wie in Brasilien: Umweltschutz und wirtschaftliche Interessen stehen sich auch hier unversöhnlich gegenüber, wie man anhand mehrerer Projekte sieht, die dort derzeit entstehen.
Thinking Like a Mountain ist deshalb ein Film, der auf vielen Ebenen funktioniert und eine ganze Reihe von Themen anspricht. Ein Film, der gleichermaßen in der Vergangenheit verwurzelt ist wie auch nach vorne schaut. Ein Film, der einerseits nüchtern ist und doch auch selbst ein wenig beseelt von den Geschichten, die hier geteilt werden. Das ist sehenswert, nicht allein aufgrund der wunderbaren Bilder und der teils sehr eigenen Atmosphäre. Hicks Werk ist auch ein Einladung, selbst wieder etwas innezuhalten, aufmerksam zu sein, anderen Leuten zuzuhören, der Natur zuzuhören. Denn man muss hier nicht einmal die spirituellen Überzeugungen der Arhuacos teilen, um darin etwas Wertvolles entdecken zu können.
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