Noch immer trägt Marie Adler (Kaitlyn Dever) den Albtraum mit sich herum, kann nachts nicht schlafen, wird auch tagsüber davon verfolgt: Ein Mann ist bei ihr eingedrungen und hat sie missbraucht. Die Erinnerungen daran sind jedoch nebulös, immer wieder verstrickt sie sich auch in Widersprüche, als sie der Polizei zu erklären versucht, was geschehen ist. Und so will ihr am Ende auch niemand glauben. Mehr noch, sie muss sich auf eine Anklage wegen Falschaussage gefasst machen. Zeitgleich ermitteln die beiden Polizistinnen Grace Rasmussen (Toni Collette) und Karen Duvall (Merritt Wever) in ganz ähnlichen Fällen, ohne voneinander oder auch Marie zu wissen …
Einen anderen Menschen zu vergewaltigen, ist sicher eines der scheußlichsten Verbrechen, die man begehen kann. Und eines, das in der Aufklärung immer schwierig ist. Über die Erfahrung zu sprechen, fällt vielen Opfern aus verständlichen Gründen schwer, aus Scham heraus wird so manches Verbrechen daher erst gar nicht angezeigt. Und selbst wer den Mut aufgebracht hat, muss sich auf Misstrauen gefasst machen, eventuell auch Anfeindungen. Dass in seltenen Fällen ein Vergewaltigungsvorwurf auch frei erfunden sein kann, um anderen zu schaden, hilft natürlich ebenso wenig, da dadurch die tatsächlichen Opfer zu Leidtragenden werden: Erst werden sie missbraucht, dann will ihnen niemand glauben. Man weiß ja nie.
Von Opfern und Jägern
Die Netflix-Serie Unbelievable erzählt basierend auf einem wahren Fall, wie eine solche Situation nach hinten losgehen kann. Dafür wählten die Serienschöpfer Susannah Grant, Ayelet Waldman und Michael Chabon eine ungewöhnliche Herangehensweise. Einerseits ist die US-Produktion ein herkömmlicher Krimi, in der die Polizei einen mysteriösen Serienvergewaltiger jagt, mit allen Ermittlungsmethoden, die das Fach so hergibt. Doch dabei verliert sie Marie nie aus den Augen. Mit ihrer Vergewaltigung und dem Zweifel der Polizei beginnt die Geschichte, einige Jahre vor den anderen Ermittlungen. Im Laufe der acht Folgen kehrt die Serie aber immer wieder dorthin zurück, zeigt uns, welche längerfristigen Auswirkungen diese Erfahrung hatte.
Für die Fans von True-Crime-Produktionen, mit denen Netflix ja durchaus Erfolg hatte, wird das eventuell nicht genug sein. Zwar besteht ein Großteil der Geschichte aus der Jagd auf den Verbrecher, unterwegs werden wir auch zahlreiche Verdächtige, Hinweise und falsche Spuren zu Gesicht bekommen. Das Tempo ist dabei jedoch gering. Actionszenen gibt es praktisch keine. Stattdessen wird in Unbelievable in erster Hinsicht geredet, manchmal auch geschimpft, wenn mal wieder ein Hoffnungsschimmer in eine Sackgasse führt oder die Kollegen schlampige Arbeit geleistet haben. Auch wenn die Serie in erster Linie von dem Versuch handelt, schreckliche Verbrechen aufzuklären, im Mittelpunkt stehen dann doch die Opfer und die Ermittlerinnen, die gleichermaßen auf der Stelle treten.
Drei starke Frauen
Dieser etwas eigene Weg zahlt sich jedoch durchaus aus, gerade auch wegen der Besetzung. Wie Toni Collette (Hereditary – Das Vermächtnis) und Merritt Wever (Willkommen in Marwen) gleichzeitig auf Verbrecherjagd sind, wie gegen Institutionen kämpfen müssen – gerade auch die eigene –, das ist durchaus sehenswert, wenngleich ziemlich erschreckend. Die tatsächlichen Glanzpunkte stammen jedoch von Kaitlyn Dever (Detroit), die hier zum doppelten Opfer wurde, wenn sie auch Jahre nach der Tat zu leiden hat. Nicht nur, dass sie die Erinnerungen mit sich herumtragen muss und selbst in alltäglichen Situationen nicht mehr wirklich funktioniert. Sie hat auch die Folgen zu tragen, dass ihr die Polizei nicht glauben wollte, sowohl im privaten wie im beruflichen Umfeld.
Subtil ist das Ganze sicher nicht. Das Drehbuchteam neigt dazu, den Figuren zwischendurch Dialoge in den Mund zu legen, die alles wirklich bis zum letzten Buchstaben ausführen wollen, damit auch ja jeder versteht, was die Absicht war. Dazu gibt es den Hang zu Wiederholungen, der Unbelievable mehr Nachdruck verleihen soll. Letztendlich führt dies jedoch in erster Linie dazu, dass es zwischendurch etwas zäh und holprig wird. Zum Schluss kommt dann auch noch Pathos hinzu, da man sich offensichtlich anders nicht zu helfen wusste. Das ist ein bisschen schade, da die Serie dadurch nicht mehr Kraft gewinnt, sondern diese im Gegenteil verliert. Sie sich ein bisschen selbst im Weg steht. Dennoch, die Geschichte um eine verkannte Vergewaltigung ist ein wichtiger Beitrag zu einem Thema und ein Plädoyer dafür, anderen genauer zuzuhören.
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