Wakefield
© KSM

Wakefield – Dein Leben ohne dich

Wakefield
„Wakefield – Dein Leben ohne dich“ // Deutschland-Start: 29. August 2019 (DVD/Blu-ray)

Howard Wakefield (Bryan Cranston) ist weder beruflich, noch im Privaten vollständig glücklich. Eines Tages kommt ihm jedoch die Idee seines Lebens. Er geht nach der Arbeit nicht wie sonst nach Hause zu seiner attraktiven Ehefrau (Jennifer Garner) und seinen zwei Töchtern, sondern verkriecht sich stattdessen auf dem Dachboden des Nebengelasses, welches sich direkt neben dem Familienhaus befindet. Tagein, tagaus verfolgt er nun durch ein Fernglas die Veränderungen innerhalb der Familie. Was erst als Spiel begann, entwickelt sich fortan zu einem neuen Lebensabschnitt, nicht nur für Howard, sondern ebenso für seine Familie.

Poesie auf allerhöchstem Niveau

Über zehn Jahre ist es her, als Robin Swicord für das Drehbuch von Der seltsame Fall des Benjamin Button für einen Oscar nominiert wurde. Mit dem Familiendrama Wakefield – Dein Leben ohne dich zeigt sie, dass sie nicht nur als Drehbuchautorin, sondern auch als Regisseurin mächtig Talent mitbringt. Ihr neuestes Werk, welches auf einer Kurzgeschichte von Edgar Lawrence Doctorow basiert, ist ein wunderschön poetischer Film, bei dem nicht nur die Story bis ins kleinste Detail überzeugt. Auch filmisch, angefangen von den kunstvollen Bilder, bis hin zu dem dezenten und eleganten Soundtrack, stimmt hier so ziemlich alles. Umso überraschender ist, dass Wakefield weder finanziell erfolgreich war, noch nennenswerte Auszeichnungen erhalten hat.

Losgelöst von den bürgerlichen Fesseln

Wakefield ist ein Film über den Drang zum Einsiedlerleben, der wohl in jedem Menschen mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt ist. Dabei kann sich Howard eigentlich glücklich schätzen: Er hat eine liebevolle Familie, ein schönes Haus und scheint auch beruflich erfolgreich zu sein. Dennoch ist er mit seinem Leben unzufrieden, seine eigene Welt ist ihm fremd geworden. Auf dem Dachboden erlebt er so eine ganz andere Seite in seinem Leben, losgelöst von Verantwortung, menschlichen Bindungen und sozialen Normen. Dafür lebt er nun in vollkommener Isolation. Aus Tagen werden Wochen, aus Wochen werden Monate und so gehen die Jahreszeiten ins Land. Als dann der Winter vor der Tür steht, bleibt Howard trotzdem standhaft. So trotzt er dem ständigen Hunger, der Kälte und der Einsamkeit bis zum Schluss. Sein Ziel dabei – es bleibt offen bis zur letzten Minute.

Die Macht der Vorstellungskraft

Wie wäre es wieder in das bürgerliche Leben zurückzukehren? – Das ist dabei die zentrale Frage, die den Film so poetisch macht. Swicord zeigt uns in der Hinsicht große Bilder, wenn Howard sich selbst alle möglichen Szenarien ausmalt. Sein Experiment führt ihm in der ganzen Zeit aber noch viel mehr vor Augen. Erst durch seine Isolation lernt er seine Familie wertzuschätzen, mit der Vergangenheit abzuschließen und sein früheres Leben aus seiner neuen Perspektive zu überdenken. Wie die Familie auf seine Rückkehr reagieren wird, was die Arbeitskollegen von ihm halten werden und ob er überhaupt gesellschaftlich von seinen Mitmenschen wieder aufgenommen wird, dies blendet Swicord komplett aus. Die Prämisse ist letztlich also nicht, wie die Gesellschaft auf das Einsiedlerleben und Menschen wie Howard reagiert, sondern vielmehr der Versuch in die Tiefen der menschlichen Imagination zu blicken. Die pure Vorstellungskraft, die sich als Kern des Familiendramas herauskristallisiert, bietet dabei außerordentlich viel Raum für poetische Bilder, wie man sie selten erlebt hat. Aufgrund dieser puren Menschlichkeit sowie das Highlight des Dramas – die allerletzte Minute – entstehen dadurch Bilder für die Ewigkeit.

Hitchcock 2.0

Durch das Fernglas, welches zum ständigen Begleiter von Howard wird, geschieht nun den ganzen Film über die Observation eben dieses gewöhnlichen Alltags. Howard, den es für sein Umfeld nicht mehr gibt, erlangt so die Rolle des Beobachters, ja fast die eines Geistes. Freunde des Krimigenres dürften sich vor dem Hintergrund an Hitchcocks Das Fenster zum Hof erinnert fühlen. Die Möglichkeit, alles im Hause der Wakefields zu sehen, gleichzeitig aber unsichtbar zu bleiben, ist nicht nur mit Wissen und der damit einhergehenden Macht verbunden, es erlaubt ihm darüber hinaus, das Gesamtbild zu erkennen, was ihm in seinem früheren Leben verborgen blieb. Was Howard aus dem Ganzen letztlich lernt, ist jedoch Interpretationssache, gerade bei dem offenen Ende. Jedes andere Ende hätte sich streng genommen aber auch als unzufriedend herausgestellt. Wakefield schafft damit das ganz Große: ein perfektes Ende zu einer perfekten Geschichte. In aller Fairness, wie oft hat man so etwas schon im Kino erlebt?

 



(Anzeige)

Ein Mann ist seines bürgerlichen Lebens abtrünnig geworden und zieht sich Wochen, ja gar Monate in vollkommener Isolation zurück. Für seine Familie als vermisst gemeldet, ist er ihnen jedoch näher, als diese denken. Was er sich davon verspricht und wie das Ganze endet, ist nicht nur nachdenklich machend, es spannt darüber hinaus einen Bogen zu dem generellen Gewohnheitsleben der heutigen Zeit.