Ein Jubiläum ist immer ein guter Anlass, um ein bisschen zurückzublicken, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen und darüber nachzugrübeln, wie das eigentlich alles so kommen konnte. Das trifft nicht nur auf Privatpersonen zu, die bei Geburtstagen oder Hochzeitsfeiern ein wenig wehmütig in Erinnerungen schwelgen. Auch bei Institutionen wird das gern gemacht. Eine solche sind Die Fantastischen Vier sicherlich, die 2019 ihr 30-jähriges Bandjubiläum feiern und im Laufe ihrer Zeit unzählige Hits hatten. Da ist es doch mehr als legitim, einen kleinen Film dazu zu drehen. Heraus kam Wer 4 sind, das auf dem Filmfest München 2019 Premiere hatte, und nun deutschlandweit in die Kinos kommt.
Dass der Film sein Publikum finden sollte, das steht eigentlich außer Frage. Sicher, die jungen Wortakrobaten sind inzwischen gestandene Herren jenseits der 50, mit Frau, Kind und bravem Eigenheim. Und vergleichbare Verkaufszahlen wie noch in den 90ern, als 4 gewinnt noch knapp 800.000 Mal über die Ladentheke ging, die sind heute sowieso nicht mehr möglich, dafür hat sich die Musikbranche zu sehr verändert. Für obere Positionen in den Charts sind And.Ypsilon, Michi Beck, Smudo und Thomas D aber noch immer gut. Ihr letztes Album Captain Fantastic erreichte immerhin Platz 2, ebenso die Single-Auskopplung Zusammen, auf der Clueso seine Stimme lieh.
Wie war das noch früher?
Dieses Album und die begleitende Tour dienen dann auch als Rahmen, damit die vier über die aktuelle Arbeit reden, über vergangene Erfolge und was sich seither getan hat. Solche Porträt-Dokus sind oft eine recht langweilige Angelegenheit, da sie zu einem reinen Imagefilm missbraucht werden. Wirkliche Einblicke bieten sie selten, kritisches Nachfragen ist nicht gestattet. Stattdessen fläzen sich die Künstler im Glanz vergangener Tage, während mal mehr, mal weniger prominente Zeitgenossen ihnen huldigen. Die Gefahr, dass Wer 4 sind ein eben solcher Film wird, die war durchaus gegeben. Ein ehrvolles Altherren-Kaffeekränzchen, nett, gemütlich, belanglos.
Glücklicherweise ist der Dokumentarfilm dann aber doch um einiges spannender. Sicher, der ganz große investigative Journalismus ist das nicht, was Schwendemann hier abgeliefert hat. Außenstehende Stimmen werden beispielsweise gar nicht eingeholt, langjährige Vorwürfe, Die Fantastischen Vier seien ein musikalisches Leichtgewicht, das sich nur das Hip-Hop-Label drangeheftet hat, die werden nicht angesprochen. Und doch erfährt man hier so einiges in den rund 100 Minuten Laufzeit, auch weil die vier ausgesprochen mitteilungsbedürftig sind und überraschend ehrlich bei der Selbstbetrachtung.
Das ironische Erbe
Wenn außer dem Quartett noch diverse andere auf dem letzten Album mitmischten, dann weil ihnen selbst nichts Neues mehr einfallen würde, wie sie ohne Scheu zugeben. 30 Jahre lang Musik zu machen, das stellt schon hohe Ansprüche an die Ausdauer, aber eben auch an die Kreativität. Irgendwann ist die aber weg, man wiederholt sich, nimmt nur noch Variationen von dem auf, was man zuvor schon gemacht hat. Das trifft natürlich auf viele Musikveteranen zu. Der offene Umgang mit den Herausforderungen, aus einem sehr gesetzten Familienleben heraus noch einmal frische Beats und Wortschöpfungen zu kreieren, der ist jedoch selten und macht Film wie Protagonisten ausgesprochen sympathisch.
Überhaupt ist Wer 4 sind vor allem deshalb unterhaltsam, weil die vier sind, wie sie sind. Man muss ihre Musik nicht mögen, die bekannten Gassenhauer wie Sie ist weg und Die da!?!, vor denen es kein Entkommen gab und die die vier wahrscheinlich selbst schon nicht mehr hören können, um hier seinen Spaß zu haben. Die Art und Weise, wie sie sich nach all den Jahren immer noch gegenseitig aufziehen, auch eher wenig schmeichelhafte Geschichten teilen und verraten, dass ihre Freundschaft immer auch ein bisschen Zweckgemeinschaft war, das ist selbst als Nicht-Fan lustig. Vielleicht sogar besonders als Nicht-Fan, wenn das Quartett sich ein bisschen selbst demystifiziert und sich ironisch mit den eigenen Leistungen auseinandersetzt, auch mit der eigenen Unlust. Und eben dem Alter. Denn auch wenn sich vieles verändert haben mag in den letzten 30 Jahren, bei der Band wie auch dem Drumherum, sie treten hier so locker und unbekümmert auf, dass man sich doch freut, dass es sie noch gibt.
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