Jodi (Ava Michelle) ist eine ganz normale Jugendliche, der es eigentlich an nichts fehlt. Sie hat nur ein Problem. Ein großes Problem. Mit einer Größe von fast 1,87 Meter überragt sie die anderen an der Schule deutlich. Passende Klamotten zu finden, wird dadurch jedes Mal zu einer Herkulesarbeit. Schlimmer noch sind aber die täglichen Hänseleien der anderen. Und einen Freund hat sie natürlich auch nicht. Denn welcher Junge geht schon mit einem größeren Mädchen aus? Da taucht eines Tages der schwedische Austauschschüler Stig (Luke Eisner) auf. Der ist nicht nur nett und teilt ihre Vorliebe für Musicals. Er ist außerdem so groß wie sie! Doch noch bevor Jodi zum Zug kommt, hat die beliebte Kimmy (Clara Wilsey) bereits ein Auge auf den attraktiven Neuzugang geworfen. Und wen die mal in ihren Krallen hat, den gibt sie nicht so leicht wieder her …
Es ist einer dieser eigenartigen Widersprüche unserer heutigen Gesellschaft. Auf der einen Seite wird Individualismus ganz groß geschrieben, Selbstverwirklichung nimmt bei vielen einen größeren Stellenwert ein als Verantwortung für andere. Gleichzeitig sind Menschen, die in irgendeiner Form anders sind, nach wie vor laufende Zielscheiben, für Spott und Anfeindungen zum Abschuss freigegeben. Darunter haben derzeit besonders Immigranten zu leiden, die für einen beträchtlichen Teil aufgrund ihrer vermeintlichen Andersartigkeit zu Feindbildern geworden sind. Aber im Grunde kann jede Abweichung oder Auffälligkeit Anlass für Unterdrückung oder Diskriminierung sein.
Es müssen nicht alle gleich sein
In dem neuen Netflix-Film Wie Jodi über sich hinauswuchs pickte sich Drehbuchautor Sam Wolfson das Thema Größe aus, indem er Jodi einen Kopf größer machte als ihre Mitschülerinnen. Nun ist Größe sicherlich nicht der wichtigste Punkt, um einen Menschen zu beschreiben. Dass die Jugendliche deswegen eine Außenseiterin sein soll, klingt daher schon ein wenig absurd. Aber absurd ist ja so einiges beim zwischenmenschlichen Umgang, Anfeindungen für die Hautfarbe oder den Körperumfang sind ebenso wenig verständlich. Wenn der Film an der Stelle ein wenig willkürlich wirkt, ist das also nicht unbedingt ein Problem. Die zugrundeliegende Aussage, dass Menschen mit ihren Unterscheidungsmerkmalen wertvoll sind, ist universell genug, um sie auf andere Besonderheiten übertragen zu können.
Das Problem von Wie Jodi über sich hinauswuchs ist vielmehr, dass der Film selbst so gar nicht besonders ist. Er folgt streng den Vorgaben, die eine solche Teenie-Produktion mit sich bringt, von den obligatorischen Beauty-Queen-Bullys bis zum Abschlussball, bei dem alles wieder gut sein muss. Dazwischen gibt es noch eine heimliche Liebe, die sich nie getraut hat und am Ende doch deutlich mehr wert ist. Ob das nun aus einer mangelnden Kreativität geboren wurde oder einem mangelnden Mut, sich tatsächlich mal anders zu positionieren, sei dahingestellt. Aber es entbehrt nicht einer gewissen Komik, sich für Vielfalt und Individualität einzusetzen, dabei selbst jedoch nur 08/15-Konfektionsgröße zu sein.
Ein besonderes Mädchen ohne Besonderheit
Damit einher geht eine bedauerlich oberflächliche Figurenzeichnung. Auch das ist nicht sonderlich ungewöhnlich, starke Charaktere sind in Teenie-Filmen eher die Ausnahme. Wenn Wolfson über seine Protagonistin aber nicht mehr zu sagen hat, als dass sie groß ist und Musicals mag, dann ist er im Grunde nicht besser als der Schulmob, der ebenfalls Jodi auf die Größe reduziert. Wer sie als Mensch ist, als tatsächliches Individuum, das wird nie klar. Sie wird zu sehr auf die Opferrolle reduziert, als dass man wüsste, wer eigentlich hinter den 1,87 Meter steckt. Bei den Nebenfiguren sieht es etwas besser aus. Dass Kimmy selbst unter Selbstzweifeln leidet und nicht allein durch Arroganz definiert wird, ist beispielsweise interessant. Insgesamt wäre da aber doch mehr schön gewesen, damit man tatsächlich das Gefühl hat, es mit Wesen aus Fleisch und Blut zu tun zu haben, nicht allein mit Drehbuchkonstrukten.
Seine Daseinsberechtigung hat Wie Jodi über sich hinauswuchs natürlich schon. Selbst wenn die Nachricht alles andere als originell präsentiert wurde und es nur wenige Szenen gibt, die sich tatsächlich im Gedächtnis festsetzen, die Nachricht selbst ist nach wie vor unbestritten wichtig. Gerade auch in dem Alter, wenn Bestätigung nie ganz verkehrt sein kann, eine Aufmunterung, sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist. Dann und wann ist der Film zudem auch unterhaltsam, die Witze gehören zu den besseren, die man in dem Bereich zuletzt gesehen hat. Für die Zielgruppe sollte das insgesamt dann auch reichen, im stetig wachsenden Netflix-Sortiment stört das hier nicht sonderlich. Es ist aber auch keine echte Bereicherung. Da war beispielsweise Dumplin’ dann doch der bessere Film.
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