Seit vielen Jahren schon sind Huen-ju (Yang Hueng-ju) und Eun-ju (See Young-hwa) ein Paar. In dieser Zeit hat sich allerdings eine gewisse Routine in die Beziehung der beiden geschlichen, verbunden mit den Verpflichtungen dem Rest der Familie und der Arbeit gegenüber. Um sich und ihrer Ehe eine Erholung zu gönnen, haben beide beschlossen, das kleine Dorf Chucheon aufzusuchen, wo sie sich einst das erste Mal sahen, sich lieben lernten und gemeinsam Pläne für ihre Zukunft schmiedeten. Jedoch steht ihr Kurztrip unter keinem guten Stern, denn so richtig will der Funke zwischen den beiden nicht überspringen. Zu allem Übel stellt Eun-ju noch fest, dass sie ihr Handy vermisst und jede Bemühung dieses zu finden bleibt fruchtlos. Als wäre dies nicht schon unangenehm genug, verpassen die beiden auch noch die letzte Fähre ans Festland, sodass sie die Nacht in Sucheon verbringen müssen …
Über Erinnerung und die Falle der Nostalgie
Mit seinem Film Winter’s Night hat der koreanische Regisseur Woo-jin Jang bereits mehrere internationale Festivals, beispielsweise in Rotterdam und Tallinn, bereist. In Anlehnung an seinen Film Autumn, Autumn (2016) beschreibt der Filmemacher in einem Interview anlässlich des Tallinn Film Festival 2018, dass er sich schon immer gerne mit Themen wie Erinnerung und Nostalgie in seinen Werken befasst hat. Die Macht unserer Erinnerungen und mit welchen Assoziationen oder Gefühlen wir diese belegen, bestimmt zu einem wichtigen Teil, wie wir Aspekte unserer Gegenwart, unseren Erfolg, unsere Beziehungen aber auch unsere Fehlschläge wahrnehmen. Für Winter’s Night wollte er die Region, in der sein letzter Film spielt, noch einmal aufsuchen und diese ins Zentrum einer Geschichte stellen, die eben diese Themen behandelt.
Dies funktioniert in einer direkten filmischen Überblendung der Vergangenheit auf die Gegenwart. Besonders in der zweiten Hälfte des Films, wenn die beiden Protagonisten durch die nächtliche Kälte streifen, finden sie zwar nicht den anderen, aber immer wieder sich selbst, jenes jüngere Spiegelbild, welches nur davon träumte, eines Tages dem Provinznest zu entfliehen und Großes in der Welt zu vollbringen. Gefühle der Nostalgie, betont durch das traumgleiche Szenenbild, sind hier nicht zuletzt Fallgruben, die nicht nur die zeitliche Distanz zu diesem anderen Ich offenbaren, sondern auch, wie weit man sich von diesen Idealen der Jugend, diesen Visionen einer möglichen Zukunft entfernt hat.
Davor und danach oder irgendwo dazwischen
Generell wirkt Winter’s Night immer wieder wie ein Kammerspiel, was nicht zuletzt auch die Darsteller zu tollen Leistungen inspiriert. Young-hwa Seo (On the Beach at Night Alone) und Heng-ju Yang spielen sehr glaubhaft ein Paar in der Krise, dessen Zuneigung spürbar ist, wobei allerdings beide in der Zwickmühle der Erinnerung und Nostalgie gefangen sind. Bisweilen meint man, sich an die Before-Trilogie eines Richard Linklaters zu erinnern, der in ähnlich präziser Weise den Finger auf die Gefahr von Routine innerhalb einer Beziehung legt. Dank der genauen Beobachtungsgabe Woo-jin Jang als Autor und Regisseur gelingen wiederholt Momente von kristallklarer, aber auch schmerzlicher Wahrheit, eine sich steigernde Anspannung in den Dialogen der beiden Figuren, die sich lieben und doch immer wieder aufs Neue suchen müssen.
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