Witzig ist Brittany (Jillian Bell) ohne jeden Zweifel, sie lässt keine Gelegenheit ungenützt, um irgendeinen Witz zu reißen. Dabei ist ihr eigentlich schon seit längerem nicht mehr zum Lachen zumute. Ihr Job bietet keine Perspektive, aufgrund ihres Übergewichts findet sie keinen Freund, dazu gesellen sich jetzt auch noch körperliche Probleme. Etwas widerwillig nimmt sie da das Angebot ihrer nervigen Nachbarin Catherine (Michaela Watkins) an, sich ihrer Laufgruppe anzuschließen, wo sie auf den ähnlich unsportlichen Seth (Micah Stock) trifft und Freundschaft mit ihm schließt. Und auch Jern (Utkarsh Ambudkar) tritt in ihr Leben, als sie einen neuen Job sucht. Wobei die erste Begegnung alles andere als vielversprechend ist …
Die Gefahr war natürlich groß, manch einer zuckte schon beim Lesen der Inhaltsangabe zusammen. Eine dicke Frau fängt mit dem Laufen an, entwickelt Ehrgeiz, will am Ende sogar am Marathon teilnehmen und bekommt dadurch endlich ihr Leben in Griff. Die Nachricht ist damit klar: Dünne Menschen sind nicht nur gesünder, sie sind auch attraktiver und erfolgreicher. Dicke Menschen sind im Gegenschluss Verlierer, denen es an Selbstdisziplin mangelt und die deshalb nie etwas erreichen. Der Gedanke ist sicher nicht selten, inzwischen wurde aber doch ein gewisses Gefühl dafür entdeckt, dass eine Herabsetzung Übergewichtiger – Stichwort Fatshaming – nicht angebracht ist, weshalb es bei Insatiable letztes Jahr im Vorfeld jede Menge Kontroverse gab.
Das Glück liegt nicht auf der Straße
Bei Brittany Runs a Marathon blieb diese aus. Im Gegenteil: Die Tragikomödie kam bei der Premiere auf dem Sundance Film Festival 2019 so gut an, dass Amazon kurze Zeit später die weltweiten Rechte erwarb, zu dem stolzen Preis von immerhin 14 Millionen Dollar. Tatsächlich hält sich Regisseur und Drehbuchautor Paul Downs Colaizzo, der sich hier von seiner Mitbewohnerin inspirieren ließ, von dieser einfachen Gleichung fern. Stattdessen versucht er zumindest, sich dem Thema ausgewogen zu nähern und zu sagen: Ob man glücklich ist oder nicht, erfolgreich ist oder nicht, das hängt nicht zwangsläufig mit dem eigenen Gewicht zusammen.
Zunächst sieht es aber natürlich danach aus. Wenn Brittany es das erste Mal schafft, einmal um den Block zu laufen, dann ist das ein persönlicher Triumph – der erste von vielen. Je mehr sie läuft, umso mehr scheint sie ihr Leben in den Griff zu bekommen. Sie wird auch wieder für andere attraktiver und als aktive Frau wahrgenommen, was ebenfalls zu dem gesteigerten Selbstbewusstsein beiträgt. Bis die Sache zu einem Wahn wird und der Kampf um die Kontrolle hässliche Seiten enthüllt. Brittany Runs a Marathon macht an diesen Stellen klar: Sport kann einen zu einem gesünderen Menschen machen. Er macht einen aber nicht zwangsweise zu einem besseren Menschen.
Warmherzige Bestätigung
Das liegt eigentlich auf der Hand, wird bei solchen Motivationsfilmen aber gerne mal übersehen. Brittany Runs a Marathon macht sich hingegen dafür stark, einfach mal genauer hinzuschauen. Genauer auf die anderen, genauer aber auch auf einen selbst. Was oberflächlich gut erscheint, muss es nicht sein, ein notwendiger Wandel fängt innen an, nicht außen. Das wissen wir natürlich alle schon, Colaizzo versucht auch nicht, da komplett neue Wege zu gehen. Er schafft es aber doch gut, das Publikum daran zu erinnern und zu demonstrieren, wie viel komplexer das Leben und die Menschen sind. Er hat hier nicht einfach einen Film über eine sportliche Errungenschaft gedreht, sondern darüber, Sinn und Halt zu finden, auch – vor allem auch – mit Hilfe anderer.
Das ist des Öfteren ziemlich witzig, weil Jillian Bell über großes komisches Talent verfügt und nicht davor zurückschreckt, sich von einer unvorteilhaften Seite zu zeigen. Und doch macht sich der Film eben nicht über ihre Figur lustig, sondern nimmt sie mit ihren Problemen und Schwächen ernst. Und für alle Fälle gibt es noch Utkarsh Ambudkar (Game Over, Man!), der als kurioses Love Interest für ein bisschen Leichtigkeit sorgt. Vor allem aber ist Brittany Runs a Marathon eine echte Herzensangelegenheit, lässt einen ein bisschen mitzittern, mitlachen und mitfühlen, wenn eine Verliererin endlich wieder auf eigenen Beinen steht. Ein echter Wohlfühlfilm, der vielleicht nicht zum Laufen inspiriert, dafür vielleicht zu anderen Projekten und Unternehmungen oder wenigstens dazu, die Menschen, an denen wir täglich vorbeilaufen, wieder als Menschen wahrzunehmen.
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