Schlimmer hätte es für Katrina (Carmen Ejogo) nicht kommen können. Erst hat sie einen Platten, als sie mitten durchs Nirgendwo fährt, irgendwo zwischen Arizona und Oklahoma. Und während sie noch versucht, den Reifen zu wechseln, wird ihre Tochter Clara (Apollonia Pratt) von einer Klapperschlange gebissen. Immerhin, Glück im Unglück: In einem nahegelegenen Wohnwagen trifft sie auf eine alte Frau, die Clara versorgt, während Katrina das Auto wieder fahrtüchtig macht. Im Krankenhaus angekommen, kümmern sich die Ärzte um das Mädchen und beruhigen die aufgebrachte Mutter, alles wird wieder gut. Tatsächlich können sie kein Anzeichen finden, dass es überhaupt gebissen wurde. Doch dann taucht ein Mann auf, der für die Rettung des Kindes ein anderes Leben einfordert …
Alles hat einmal ein Ende, auch der Netflix-Horror-Run im Vorfeld von Halloween. Während bei den Serien 2019 irgendwie tote Hose war, gab es im Bereich der Kinderunterhaltung und der erwachsenen Filme doch reichlich Nachschub. Leider galt hier wie des Öfteren beim Streaminganbieter: Quantität geht vor Qualität. Ob nun Eli, La Influencia – Böser Einfluss oder das umstrittene Wounds, so ein richtiges Gruselhighlight ist dieses Mal nicht dabei. Und das gilt leider auch für Der Biss der Klapperschlange, der letzte der Titel, mit dem Netflix von dem gesteigerten Schauerbedürfnis des Publikums profitieren will.
Eine namhafte Enttäuschung
Dabei waren die Hoffnungen hier schon größer, und das nicht nur, weil es die letzte Chance ist, den durchwachsenen Horrorherbst zu retten. Wichtiger noch: Es handelt sich bei Der Biss der Klapperschlange um den neuesten Film von Zak Hilditch. Das macht Mut, hatte der australische Regisseur und Drehbuchautor zuvor schließlich den interessanten Endzeitthriller These Final Hours und die atmosphärische Stephen-King-Adaption 1922 gedreht. Teilweise zeigen sich die Stärken seiner früheren Werke auch hier. Vergleichbar zu den anderen Netflix-Genrebeiträgen, die durchaus von namhaften Filmemachern stammten, wird aber erneut deutlich, dass das letztendlich nichts heißen muss.
Die Idee an sich ist sicherlich gut, hat das Potenzial für Spannung. Eine bislang unbescholtene Frau muss zur Mörderin werden, um das Leben ihres Kindes zu retten. Moralisch ist das klar falsch. Aber wenn es um den eigenen Nachwuchs geht, dann steht Moral oft nicht ganz allzu weit oben auf der Prioritätenliste. Filme über moralische Dilemmata gibt es natürlich immer wieder mal. Kann ein Leben gegen ein anderes getauscht werden? Wer darf darüber bestimmen, wer leben und wer sterben soll? Der Biss der Klapperschlange gelingt es ganz gut, diesen Zwiespalt deutlich zu machen, indem die Entscheidung einer verzweifelten Mutter obliegt. Denn auch wenn es falsch ist, jemanden zu töten, die Versuchung ist gut nachzuvollziehen. Vor allem, wenn dann zufällig Leute um sie herum auftauchen, bei denen das Töten aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr ganz so schlimm erscheint.
Und jetzt bitte mal ganz unheimlich schauen!
Nur gelingt es Zak Hilditch nicht wirklich, aus dem Thema auch etwas herauszuholen. Ein Großteil des Films besteht daraus, dass Katrina verzweifelt durch die Gegend läuft und nicht weiß, was sie tun soll. Das ist verständlich, aus Zuschauersicht jedoch nicht übermäßig spannend, sonderlich viel Handlung hat Der Biss der Klapperschlange da nicht. Da sich Hilditch dessen offensichtlich aber selbst bewusst war, lässt er ständig unheimliche Gestalten auftauchen, welche die Protagonistin an ihre Bringschuld erinnern, um auf diese Weise eine gewisse Drohkulisse aufzubauen und das Gefühl von Dringlichkeit zu erzeugen.
Als Plan klang das recht vernünftig, in der Praxis geht das aber nicht so wirklich auf. Die Figuren erzeugen weder Spannung, noch wird die Tragik spürbar, die sie eigentlich umgibt. Die einzige Spannung, die man als Zuschauer oder Zuschauerin wirklich spürt: Wird Katrina am Ende nun zur Mörderin oder gibt es einen anderen Ausweg? Auf dem Weg zur Antwort gibt es vereinzelt schöne und atmosphärische Szenen, aber nicht genügend, um damit einen ganzen Film zu füllen. Der Biss der Klapperschlange gelingt es einfach nicht, kontinuierlich zu fesseln, weder durch den Moralaspekt noch den Horror, läuft etwas verloren durch die Gegend, bis es dann nach anderthalb Stunden vorbei ist.
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