Sizilien und Sibirien mögen im Deutschen ja so ähnlich klingen. Unterschiedlicher könnten die italienische Insel und die Region im Norden Russlands aber kaum sein, sowohl was die Ausmaße wie auch die Vegetation angeht. Vom Klima ganz zu schweigen. Wer das mediterrane Wetter Siziliens genießt, dem würde unter normalen Umständen wohl kaum einfallen, das gegen die menschenleere, oft kalte Gegend Asiens eintauschen zu wollen. Und doch hat Diego Pascal Panarello genau das getan, ist einem inneren Ruf gefolgt und von seiner Heimat bis nach Jakutien gereist, das nordöstliche Gebiet Sibiriens mit einer enormen Fläche, aber nur wenig Einwohnern. Das Ziel ist jedoch nicht Land und Leute. Vielmehr hat es ihm die Maultrommel angetan, die dort gern gespielt wird.
Schon einmal hatte Panarello über diese Reise gesprochen und über seine Faszination für dieses kleine Instrument mit dem ganz eigenen Klang. 2016 war das, in seinem TV-Film Die Maultrommel: Jakutiens Schlüssel zum Glück. Den erweitere er später zu einem ausgewachsenen Dokumentarfilm, der auf diversen Festivals lief, darunter die Dok Leipzig im Jahr 2017. Und tatsächlich hat Der seltsame Klang des Glücks dem Publikum einiges zu bieten, wofür es sich lohnen könnte, selbst einmal die Reise anzutreten – vom bequemen Kinosessel aus, versteht sich.
Mittendrin statt nur dabei
Zunächst ist Panarello selbst kein ganz alltäglicher Filmemacher. Anders als man es von Dokumentationen gewohnt ist, hat der Sizilianer überhaupt nicht vor, sich aus der Geschichte herauszuhalten und eine neutrale Distanz zu bewahren. Im Gegenteil: Der seltsame Klang des Glücks ist ebenso ein Film über Jakutien und deren Bewohner, wie es ein Film über ihn selbst ist. Anstatt in die Materie direkt einzusteigen, zieht es der Regisseur vor, über sein eigenes Leben zu erzählen und wie er zu dem Thema gekommen ist. Ob das nun alles so stimmt wie behauptet, darüber kann man diskutieren. Auch ob das überhaupt den Ansprüchen eines Dokumentarfilms genügt.
Aber es ist doch irgendwie charmant und auch witzig, legt zudem den Grundstein für einen Film, der konsequent persönlich sein will. An seinem Bestimmungsort angekommen, soll es nicht allein darum gehen, das Instrument vorzustellen. Panarello möchte selbst eins haben und lernen, es zu benutzen, was bei den Einheimischen gleichermaßen Skepsis und Belustigung auslöst. Ähnlich ergeht es einem als Zuschauer, was aber auch an den sehr fremden Klängen der Maultrommel liegt, bei denen man nie genau sagen kann, ob das nun gerade richtig oder falsch gespielt wurde. Sofern es diese Unterscheidung überhaupt gibt.
Ein himmlisches Instrument!
Auch sonst ist das Instrument ganz eigen, über die konkreten Töne hinaus. Vor allem hat es eine eigene Bedeutung für die Bevölkerung. Für uns zunächst eher unvorstellbar, ist die Maultrommel mit Sagen und Mythen verbunden. Beispielsweise soll es in der Lage sein, den Frühling herbeizurufen. Außerdem heißt es, dass irgendwann einmal ein Mann vorbeikäme, der sie in die Welt hinausträgt. Das könnte natürlich Panarello sein. Oder ein Außerirdischer, das weiß man nicht so genau. Ach ja, ein eigenes Museum gibt es zu dem Thema natürlich auch, wenn man sich ein bisschen schlau machen möchte. Mit der tatsächlichen Geschichte oder auch der Mechanik einer Maultrommel setzt sich Der seltsame Klang des Glücks dann auch nicht auseinander. In dem Film geht es mehr um die Bedeutung, die dieses Instrument für die Menschen hat.
Das geht mit zahlreichen folkloristischen Elementen einher. Wer seine Filme etwas exotischer mag, wird beispielsweise an der traditionellen Kleidung seine Freude haben oder auch an den fröhlichen Festen der einheimischen Bevölkerung. Der seltsame Klang des Glücks verbindet das mit Humor und Sequenzen, die der Dokumentation auch etwas Traumartiges verleiht. Allgemein ist die Reise hier alles andere als geradlinig. Panarello springt hin und her, verknüpft die unterschiedlichsten Punkte zu einer Erfahrung, die nicht immer greifbar oder erklärbar ist, das aber auch gar nicht sein soll. Ein Film, der unterhält, einem eine fremde Welt näherbringt, manchmal etwas verwirrt, aber eben auch ein wenig glücklich macht.
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