Es hätte ein so wundervoller Urlaub für Ellen Martin (Meryl Streep) und Joe (James Cromwell) werden sollen, als sie zum 40. Hochzeitstag aufs Boot steigen. Vielleicht wäre er das auch geworden, wenn Joe dabei nicht gestorben wäre. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, muss die frisch gebackene Witwe feststellen, dass die Versicherung nicht zahlen will, weil es das zugehörige Unternehmen nicht wirklich gibt. Vielmehr geht das und viele andere zwielichtige Geschäfte auf eine Anwaltskanzlei von Jürgen Mossack (Gary Oldman) und Ramón Fonseca (Antonio Banderas) zurück, die alles dafür tun würden, um Geld vorbei an den Behörden zu vermehren …
Auch wenn die tatsächliche Award Season, eine Abfolge kleinerer und größerer Filmpreise, die mit der Verleihung der Oscars ihren Höhepunkt findet, erst Ende des Jahres beginnt, der inoffizielle Startschuss fällt schon ein paar Monate früher. Genauer sind es die kurz hintereinander stattfindenden Filmfeste in Venedig und Toronto, bei denen ein Gros der aussichtsreichsten Kandidaten ihre Premiere feiern. Dessen ist sich natürlich auch Netflix bewusst: An Nachschub an neuen Filmen mangelt es das Jahr über freilich nicht, die besonders schönen, oder vermeintlich schönen Perlen, die spart man sich dann aber doch für die bedeutenden roten Teppiche im August und September auf. Letztes Jahr war man mit dieser Taktik überaus erfolgreich, Roma wurde tatsächlich später mit dem Oscar für die beste Regie des Jahres gewürdigt.
Viele große Namen, viel Ruhm?
Am liebsten würde der Streamingdienst diesen Triumph fortsetzen und ging deshalb mit einem Trio hochkarätig besetzter Titel in Venedig an den Start. Die Geldwäscherei ist der erste der drei, der es nun auch nach Deutschland schafft, und fällt gleich durch die unzähligen großen Namen auf. Da wäre Regisseur Steven Soderbergh, mit dem Netflix schon bei High Flying Bird zusammenarbeitete. Das Drehbuch stammt von Scott Z. Burns, der dieses Jahr auch mit seinem Politthriller The Report für Furore sorgte. Und bei der Darstellerriege finden sich so viele Stars, dass man sie gar nicht alle aufzählen kann – zumal eine Reihe davon nur Miniauftritte hat. Wer im falschen Moment blinzelt, kann sie schon mal verpassen.
Das schauspielerische Aushängeschild schlechthin ist dabei natürlich Meryl Streep, durch die praktisch jeder Film irgendwie zum Oscar-Kandidaten wird. Sie dient auch als Identifikationsfigur in einer Geschichte, die ganz einfach anfängt und mit der Zeit immer verworrener wird. Wenn sie in Die Geldwäscherei eine Frau spielt, deren Mann gestorben ist, für dessen Unfalltod aber niemand bezahlen will, dann bekommt das Publikum gleich einen verständlichen Einblick in die Machenschaften der Briefkästenfirmen und was dies für die einfachen Leute bedeutet. Man entwickelt auch ein Gespür für die Hilflosigkeit, wenn man versucht, das System und Netz aus Betrügereien zu verstehen, geschweige denn zur Verantwortung zu ziehen.
Von klein zu unüberschaubar groß
Das erste Drittel ist dann auch das stärkste, so lange Die Geldwäscherei nah an den Figuren bleibt und eine Geschichte erzählt. Doch die sogenannten Panama Papers, vertrauliche Unterlagen mit Informationen von Steuervermeidung bis zu Betrug und Geldwäsche, sind eben größer als eine Figur. Und größer als eine Geschichte. Und so wagen Soderbergh und Burns den großen Wurf, erweitern den Fokus immer mehr, nehmen in schneller Abfolge neue Länder, neue Beteiligte, neue Mauscheleien ins Visier, bis man irgendwann völlig den Überblick verloren hat. Gut möglich, dass hiermit das Ziel verfolgt wurde, ein Gefühl für die Unüberschaubarkeit dieser international vernetzten Prozesse zu schaffen. Es führt letztendlich aber eher zu Distanz und Desinteresse, wenn das temporeiche Chaos zu nichts führt und man kaum noch Möglichkeiten findet, irgendwo auch mal anzudocken.
Das ist auch deshalb verwunderlich, weil Die Geldwäscherei zunächst eigentlich sehr bekömmlich und unterhaltsam ist. Der Film ist wie das offensichtliche Vorbild The Big Short eine wilde Ansammlung von Episoden, die mit viel Humor und regelmäßigem Durchbrechen der vierten Wand vorgetragen werden. Zusammen mit den gut aufgelegten Stars und dem Hang zur Selbstironie wird so tatsächlich ein spaßiger Ausflug in eine moral- und gesetzlose Welt, in der man vor lauter Abgründen keinen Schritt mehr gehen kann. Die großen Erkenntnisgewinne wie beim obigen Kollegen springen hier aber nicht heraus, weshalb trotz des wichtigen und weitreichenden Themas nur ein bisschen Oberflächenunterhaltung übrig bleibt. Dafür reicht es aber bei der Tragikomödie, das Reinschauen lohnt sich prinzipiell also schon.
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