Einsam zweisam Deux moi
© STUDIOCANAL/Emmanuelle Jacobson-Roques

Einsam zweisam

Einsam zweisam Deux moi
„Einsam zweisam“ // Deutschland-Start: 19. Dezember 2019 (Kino)

Auf einmal wurde es schwarz um ihn herum: Rémy (Francois Civil) war gerade in der U-Bahn unterwegs, beobachte die Leute, war guter Dinge, als er von einer heftigen Panikattacke ergriffen wird. Im Anschluss heißt es erst mal zur Ruhe kommen, sich sammeln, aber eben auch rausgehen und Leute treffen – was dem Pariser ausgesprochen schwerfällt. Denn so richtig weiß er nicht, wie er sich anderen gegenüber verhalten soll. Seine Nachbarin Mélanie (Ana Girardot) hingegen hat ständig jemanden um sich herum, Dates ist sie alles andere als abgeneigt. So richtig glücklich ist sie mit ihrem Leben aber auch nicht, selbst wenn sie das nicht so wirklich mitteilen will. Dabei wäre das Glück so nahe …

Selten war ein Titel wohl gleichzeitig so passend und unpassend wie dieser: Einsam zweisam, das weckt natürlich Erwartungen an eine große Romanze. An zwei Leute, die füreinander bestimmt sind, jedoch erst einmal alleine durchs Leben stolpern, bevor sie sich gegenseitig in die Arme fallen. Zu einem gewissen Grad ist der Film genau das. Und doch ist er es eben nicht. Große Herzschmerzmomente sind hier nicht angesagt, es gibt keinen Wonnekitsch, in dem man baden kann. Es wäre sogar irreführend die Geschichte der beiden 30-Jährigen, die ihre Liebe suchen, überhaupt als eine Romanze bezeichnen zu wollen.

Alle gemeinsam allein
Stattdessen hat Regisseur und Co-Autor Cédric Klapisch (L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr, Der Wein und der Wind) einen Film über das Stadtleben in all seiner Widersprüchlichkeit gedreht. Auf der einen Seite leben die Menschen in seinem Film auf engem Raum, laufen sich ständig über den Weg und sind doch meilenweit voneinander entfernt. Einsam zweisam handelt von Nähe und Distanz, sowohl im realen wie auch im übertragenen Sinn, wenn Begegnungen im Internet die vor der Haustür ersetzen. Ein Film über verpasste Chancen, die man nicht einmal als Chancen wahrgenommen hat. Ein Film auch über den Zufall, der unser Leben fortwährend bestimmt, ohne dass wir Einfluss darauf nehmen könnten.

Immer wieder werden Rémy und Mélanie sich ganz nah sein, im selben Laden einkaufen, dieselbe U-Bahn nehmen, ohne sich dabei jedoch je bewusst wahrzunehmen. Klapisch setzt dabei ganz bewusst auf Wiederholungen, in denen die zwei nahezu dasselbe machen, verstärkt damit den Eindruck, dass es sich hier um zwei Seelenverwandte handelt. Und doch läuft es jedes Mal anders, etwas kommt dazwischen, die Nachbarn bleiben Fremde. Das schönste Bild hierfür ist, wenn beide auf ihren Balkonen stehen, nur wenige Meter voneinander entfernt und den Blick zum Horizont gerichtet. Beide sind sie auf der Suche, dabei aber so sehr von dem ergriffen, das außerhalb ihrer Reichweite liegt, dass sie nicht mehr merken, was um sie herum geschieht.

Komisch und doch auch ziemlich tragisch
Das hört sich nach einer Liebeskomödie an. Zum Teil ist Einsam zweisam das sicherlich auch. Manches hier ist tatsächlich erheiternd, auf eine leicht gemeine Weise, wenn Klapisch wieder und wieder mit den Erwartungen spielt. Aber der französische Filmemacher wollte doch auch mehr, glücklicherweise. So scheut er nicht vor den Abgründen zurück, die ein solches Leben in der Einsamkeit mit sich bringt. Wenn Rémy und Mélanie jeweils zu Therapeuten gehen – fantastisch gespielt von François Berléand und Camille Cottin –, dann ist das nicht das übliche Oberflächenspiel. Depression, Panikattacken, verdrängte Traumata, der Film nähert sich einfühlsam den Schmerzen an, die wir mit uns herumtragen, Tag für Tag, über die wir nicht sprechen können oder wollen. Zeigt Abgründe auf, die so gar nicht in die heitere Suche nach dem Glück passen.

Tatsächlich übertreibt es Einsam zweisam zum Ende hin auch ein wenig: Was gerade zu Beginn eine wunderbar beiläufige Beobachtung städtischen Lebens und inniger Isolation ist, verliert dann seine Alltäglichkeit und Allgemeingültigkeit. Auch wenn manches dadurch im Nachhinein Sinn ergibt, Klapisch zuvor viele Hinweise gestreut hat, wirklich nötig gewesen wäre es nicht. Aber auch so ist die Tragikomödie, die hierzulande unter anderem auf den Hofer Filmtagen 2019 läuft, ein überaus charmanter, teils cleverer Film, bewegend, ohne dabei zu rührselig zu werden. François Civil und Ana Girardot, die zuvor in Der Wein und der Wind noch Geschwister spielten, überzeugen hier als Nachbarn auf der Sinnsuche, die gemeinsam allein durchs Leben irren, auf der Suche nach Glück und Liebe, Halt und auch sich selbst und einem dabei schnell ans Herz wachsen, selbst wenn wir ihnen nie begegnen.



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„Einsam zweisam“ klingt wie eine beliebige Liebeskomödie, ist aber ein einfühlsamer, clever erzählter Film über zwei Menschen, die inmitten der Großstadt verlorengehen. Zum Ende hin wird etwas mit den Abgründen übertrieben. Insgesamt ist die Geschichte um zwei 30-Jährige, die sich selbst suchen und dabei immer um Haaresbreite an ihrem Glück vorbeilaufen, ein charmantes Porträt unserer Zeit und zweier sympathisch kaputter Leute.
8
von 10