Das ist gerade noch einmal gut gegangen für den ehemaligen Drogenkoch Jesse Pinkman (Aaron Paul). Nachdem er lange unter widrigsten Bedingungen gefangen halten wurde, gelang ihm die Flucht. Aber was nun? Nicht nur, dass die Polizei landesweit nach ihm sucht, es gibt auch genügend andere Leute, die nur darauf warten, ihn in die Finger zu bekommen. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als alles zusammenzukratzen, was er hat, und sich erst einmal zu verstecken. Einfach ist das jedoch nicht, denn wem soll er jetzt noch vertrauen? Und geht das überhaupt noch, ein neues Leben anzufangen, nach all dem, was vorgefallen ist?
Derzeit sind Film-Fortsetzungen von Serien wieder schwer angesagt. Im Kino wetteifern beispielsweise Downton Abbey und Dora und die goldene Stadt um ihr jeweiliges Zielpublikum, das eine etwas älter, das andere etwas jünger. Irgendwo dazwischen siedelt sich El Camino: Ein „Breaking Bad“-Film, das – wie der Titel schon verrät – im Universum der Kultserie Breaking Bad angesiedelt ist. Die nahm vor ziemlich genau sechs Jahren ihr Ende, damals mit dem Tod des Protagonisten. Für eine Fortsetzung ist das natürlich äußerst unpraktisch, da es nicht viele Möglichkeiten lässt. Sofern man nicht gerade ein Prequel dreht, bleibt eigentlich nur, sich andere Figuren aus der Geschichte zu schnappen und bei denen weiterzumachen. Oder beides zu kombinieren.
Ein Film (nur) für Fans
Bei der Serie Better Call Saul war es die Figur des Anwalts Jimmy McGill, der in eben einem solchen Spin-off-Prequel näher beleuchtet wird. In El Camino darf nun Jesse aus seinem TV-Ruhestand zurückkehren. Doch auch wenn der Film nahtlos an die Ereignisse der Serie anschließt und somit als tatsächliche Fortsetzung durchginge, wirklich als solche würde man sie kaum bezeichnen wollen. Vielmehr sind die hier geschilderten Ereignisse eine Art Epilog für die Serie, wenn noch einmal diverse Geschichten etwas ausführlicher zu einem Ende gebracht werden. Nichts davon ist wirklich notwendig, vielmehr handelt es sich bei dem Film um reines Fan Service.
Das ist erst einmal nicht verwerflich. Fans hatte die Serie, verdientermaßen, seinerzeit schließlich mehr als genug gehabt. Und es ist auch irgendwie schön, die Charaktere noch einmal wiederzusehen. Serienschöpfer Vince Gilligan, der bei El Camino Regie führte und das Drehbuch schrieb, ist allerdings so sehr darauf bedacht, an Breaking Bad zu erinnern, dass der Film nur mäßig vorankommt. Beispielsweise werden immer wieder Flashbacks eingebaut, um möglichst viele Figuren unterzubringen. Manchmal nutzt er dies, um ihnen noch etwas mehr Tiefe und Persönlichkeit zu verleihen, wofür zum Ende der Serie kein Platz mehr war. Doch das geht dann eben auf Kosten der Handlung, die trotz einer Laufzeit von zwei Stunden überschaubar bleibt.
… und du bist?
Außerdem führen diese ständigen Verweise dazu, dass Neueinsteiger hier nur zum Teil glücklich werden. Zwar fasst ein mehrminütiger Vorspann – „was zuletzt geschah…“ – das Wichtigste zusammen. Dass hier ein Verbrecher auf der Flucht ist, braucht ohnehin nicht wirklich viele Erklärungen. Eine emotionale Bindung zu den Figuren wird man ohne Vorkenntnisse jedoch kaum aufbauen. Oft wird man nicht einmal wissen, wer die Leute überhaupt sein sollen. Lediglich Jesse selbst kommt einem etwas näher, indem die an ihm ausgeübten Grausamkeiten ebenfalls veranschaulicht werden. Das funktioniert auch ganz gut, Aaron Paul (Das 9. Leben des Louis Drax, Eye in the Sky) verkörpert den Flüchtigen als Sympathieträger in einer verzweifelten Notlage, dem man auch dann noch die Daumen drückt, wenn man ihn gerade erst kennengelernt hat. Wiederkehrer werden hier hingegen einen alten Freund treffen, den man doch irgendwie vermisst hat. Und es ist schön, dass dieser nun ein würdiges, wenn auch leicht ambivalentes Ende bekommt, nachdem er in Breaking Bad zuletzt etwas nach hinten geschoben worden war.
Spannend ist es zudem, ihn bei seiner Flucht zu beobachten, die ihn zu allen möglichen Leuten führt. Wird er es schaffen davonzukommen? Und wenn ja auf welche Weise? Da die Serie im Laufe von fünf Staffeln doch einige Änderungen durchmachte, gerade der von Bryan Cranston verkörperte Walter White, war nicht klar, ob Gilligan noch einmal versöhnliche Töne anschlagen würde. Mit den Höhepunkten der Serie kann es El Camino sicher nicht aufnehmen, dafür fehlt die nötige Intensität. Es ist nicht einmal so, dass aus dem Medium Film hier nennenswert mehr herausgeholt worden wäre als aus dem Serienformat. Man hätte das meiste hiervon auch einfach als reguläre Folge in der Serie unterbringen können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Die hohen Erwartungen, die man an das Revival hatte, kann der Nachschlag daher nicht erfüllen. Begnügt man sich aber von vornherein damit, einen TV-Film mit vielen Querverbindungen zu sehen, dann kommt man hier durchaus auf seine Kosten.
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