Gemini Man
© Paramount Pictures

Gemini Man

Gemini Man
„Gemini Man“ // Deutschland-Start: 3. Oktober 2019 (Kino)

Irgendwann ist dann doch mal genug. Unzählige Menschen hat Henry Brogan (Will Smith) im Auftrag der Regierung bereits getötet, an der Waffe machte ihm so leicht keiner was vor. Damit soll nun Schluss sein. Anfang 50 ist Henry jetzt, Zeit um in den Ruhestand zu gehen. Doch dann erzählt ihm ein Freund eine seltsame Geschichte: Sein letztes Ziel sei jemand völlig anderes gewesen, als es die Akten behaupteten. Noch bevor er der Sache auf den Grund gehen kann, gerät er selbst in die Schusslinie. Gemeinsam mit Danny Zakarweski (Mary Elizabeth Winstead) und Baron (Benedict Wong) muss er nun nicht nur Licht ins Dunkle bringen, sondern sich gleichzeitig vor einem Attentäter in Acht nehmen, der ihm verdächtig bekannt vorkommt …

Es gibt Regisseure, bei denen schaut man sich aus Prinzip schon das neueste Werk an. Nicht weil sie immer gleichermaßen überzeugen. Aber sie sind doch zumindest interessant. Ang Lee ist ein solcher Regisseur. Im Laufe seiner bald drei Jahrzehnte umfassenden Karriere hat der Taiwanese eine Reihe großer Titel gedreht, darunter Tiger & Dragon, Brokeback Mountain und Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger, die ihm weltweit viel Anerkennung einbrachten. Zweimal erhielt er sogar einen Oscar als bester Regisseur. Was auch deshalb bemerkenswert ist, da vor ihm kein anderer nicht-weißer Filmemacher diese Ehre zuteil wurde. Für Gemini Man, so viel darf man jetzt schon vorhersagen, wird er sicherlich keinen dritten Goldjungen mit nach Hause nehmen dürfen.

Was lange währt …
Dass er den Film überhaupt gedreht hat, war alles andere als selbstverständlich. Seit mehr als 20 Jahren geistert die Geschichte bereits durch Hollywood, zahlreiche Regisseure und Schauspieler waren für das Projekt angesetzt und verließen es dann doch wieder. Ein Grund dafür war sicherlich, dass die notwendige Technik noch nicht so weit war. Und man darf sich auch darüber streiten, ob sie es inzwischen schon ist, wenn der anfängliche Thriller plötzlich Science-Fiction-Elemente übernimmt. Denn richtig überzeugend ist das nicht alles, was man in Gemini Man zu sehen bekommt, weder visuell noch inhaltlich.

Dass sich Lee dennoch daran versucht, ist dabei keine Überraschung. Schon in seinen vorangegangenen Werken experimentierte er gerne mit der Optik und testete die Grenzen des Machbaren aus. Wie in seiner Romanverfilmung Die irre Heldentour des Billy Lynn vor drei Jahren verwendet er hier eine besonders hohe Bildwiedergabe von 120 FPS – das ist fünf Mal so schnell wie bei herkömmlichen Filmen. Das bedeutet weniger Ruckeln und eine höhere Bewegungsschärfe, was gerade auch im Zusammenhang mit den 3D-Bildern für eine bessere Seherfahrung sorgen soll. Ob sie das wirklich ist, darüber wird aber heftig gestritten. Der Bruch mit den sonstigen Kino-Sehgewohnheiten wirkt gleichzeitig realistischer und künstlicher, wird gerade zu Beginn viele verwirren, ohne dass diese genau sagen könnten warum.

Wer braucht schon Worte?
Von der Geschichte kann man das eher nicht behaupten. Die ist ausgesprochen geradlinig. Zweckmäßig, wenn man ein nettes Wort sucht. Man darf aber auch nur mäßig dazu sagen. Dass die Story schon zwei Jahrzehnte auf dem Buckel hat, das glaubt man gern. Sie wirkt wie ein Überbleibsel des 90er-Jahre Action-Kinos. Ein altmodischer B-Movie, nur mit modernster Technik. Wer die Guten, wer die Bösen sind, wird von Anfang an klar gesagt – auch wenn ein staatlicher Auftragsmörder nicht gerade der klassischen Definition von „gut“ entspricht. Ebenso wenig überzeugend ist es, wenn der von Clive Owen verkörperte Gegenspieler mehr sein will als ein Schurke. Dabei sind die Themen von Gemini Man durchaus interessant, gerade auch in moralischer Hinsicht. Der Film räumt diesen Überlegungen und Diskussionen aber nur sehr wenig Raum ein, lässt es lieber kräftig krachen: Ob nun Schusswechsel, rasante Verfolgungsjagden oder auch ein bisschen Nahkampf, Lee ist für alles zu haben, um ein bisschen herumzuspielen.

Teilweise ist das beeindruckend, an anderen Stellen jedoch so übertrieben, dass es nicht wirklich viel Durchschlagskraft entwickelt. Immer mal wieder ist der Beitrag vom Zurich Film Festival 2019 aber auch unterhaltsam. Das kann die besagten Actionszenen betreffen, die an den unterschiedlichsten Orten stattfinden. Aber auch die Figuren und die Interaktionen machen zuweilen Spaß. Vor allem Will Smith darf sich hier groß in Szene setzen uns alles bestimmen – doppelt und dreifach. Für den Rest bleibt da oft nur die zweite Reihe. Schade ist beispielsweise, wie unwichtig die von Mary Elizabeth Winstead gespielte Kollegin ist. Aber auch andere bekommen zu wenig zu tun, obwohl der Film mit zwei Stunden Laufzeit eigentlich Platz genug hätte. Und so ist Gemini Man in erster Linie Smith-Fans oder auch einem technikaffinen Publikum zu empfehlen. Wer sich weder zu der einen, noch der anderen Gruppe zählt, der kann auch zu Hause bleiben.



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„Gemini Man“ lockt mit einem gut aufgelegten Will Smith und technischen Spielereien. Inhaltlich ist die Geschichte um einen staatlichen Auftragsmörder, der selbst ins Fadenkreuz gerät, hingegen zu vernachlässigen. Der Action-Thriller unterhält stellenweise durchaus, ist im Grunde aber nur ein B Movie, der seine spannenden Themen unzureichend aufarbeitet.
5
von 10