Gott existiert ihr Name ist Petrunya Gospod postoi, imeto i' e Petrunija
© jip film & verleih

Gott existiert, ihr Name ist Petrunya

Inhalt / Kritik

Gott existiert ihr Name ist Petrunya Gospod postoi, imeto i' e Petrunija
„Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ // Deutschland-Start: 14. November 2019 (Kino) // 16. Juli 2020 (DVD)

Petrunya (Zorica Nusheva) ist Anfang 30, hat einen Universitätsabschluss im Bereich Geschichte in der Tasche … und keinerlei Perspektiven. Von ihrer Mutter (Violeta Shapkovska), bei der sie noch immer lebt, wird sie getriezt, die Jobsuche führt von einer Demütigung zur nächsten. Da ist es wie ein Geschenk des Himmels, als sie am Dreikönigstag in den eisigen Fluss springt und als erste das heilige Kreuz erreicht, das der Priester zuvor hineingeworfen hat. Das soll Glück bringen! Pech jedoch: Bei diesem alten Ritual sind Frauen eigentlich gar nicht zugelassen, weshalb der kleine mazedonische Ort im Anschluss auch Amok läuft und von der Frevlerin das Kreuz zurückfordert. Doch die denkt überhaupt nicht dran, ihren Schatz wieder aufzugeben …

Ein bisschen verwirrt darf man am Anfang von Gott existiert, ihr Name ist Petrunya schon sein. Wer nicht gerade vor die Inhaltsangabe gefragt hat, wird sich fragen, warum eine Horde junger Männer halbnackt im tiefsten Winter in den Fluss springt. Genauso irritierend, was danach geschieht: Wieso schreien die alle Petrunya an? Bis wir die ebenso einfache wie unverständliche Antwort erhalten: Weil sie eine Frau ist. Petrunya leuchtet das nicht wirklich ein, den meisten im Publikum dürfte es ähnlich gehen. Wenn sich die Einwohner gegenseitig an die Gurgel geht, nur wegen eines alten Kreuzes, dann ist das so absurd, dass man vor lauter Verblüffung erst einmal vergisst zu lachen.

Irgendwie haben die sie alle nicht mehr …

Regisseurin und Co-Autorin Teona Strugar Mitevska ist sich dieser Absurdität natürlich bewusst. Die Mazedonierin nutzt auch jede Gelegenheit, um die Situation auszukosten und sich über ihre Landsleute lustig zu machen. Bemerkenswert ist dabei, dass ihr spöttischer Ton vor nahezu niemandem Halt macht. Ob es nun Petrunyas Familie ist, die Polizei oder der herbeigerufene Priester, der sich um den wütenden Mob kümmern soll, eine richtig gute Figur macht in Gott existiert, ihr Name ist Petrunya kaum jemand. Selbst bei der von Labina Mitevska gespielten Journalistin geschieht der Einsatz für die Bedrängte zunächst einmal in der Hoffnung, eine große Story erwischt zu haben und von der Aufregung zu profitieren.

Wobei nur die wenigsten Personen in Gott existiert, ihr Name ist Petrunya ganz eindeutig einzuordnen sind. Die meisten Figuren, von den grölenden Freikörper-Machos einmal abgesehen, haben eine gewisse Ambivalenz, wenn sie sich und andere im Laufe des Films hinterfragen müssen. Und zu hinterfragen gibt es ja eine Menge, selbst wenn das mit der Antwort nicht ganz einfach ist. Petrunya beispielsweise weiß gar nicht so genau, warum das mit dem Kreuz so wichtig ist, wirkt trotz ihres Alters jenseits der 30 Jahre wie ein Kind, das sein wertvolles Spielzeug nicht an andere geben will. Denn für sie symbolisiert es den einzigen Triumph, den sie in ihrem tristen Leben bislang hatte, das aus einer Mischung aus Zurückweisung und Desinteresse besteht.

Macht doch, was ihr wollt

Diese Ambivalenz ist zum Teil jedoch eine teuer erkaufte. Während Petrunya recht hartnäckig und trotzig bei ihrem Festhalten am Kreuz ist, wird sie doch dadurch definiert, wechseln die anderen zwischendurch immer wieder ihr Verhalten. Im einen Moment bekämpfen sie die wenig heldenhafte Titelheldin, im nächsten sind sie ganz freundlich. Das hätte man auch als Teil einer Taktik aufziehen können, um ihr das Kreuz zu entreißen, wirkt hier aber zu willkürlich. Zudem ist das satirische Drama, das im Wettbewerb der Berlinale 2019 lief, an manchen Stellen auch ein bisschen dicker aufgetragen und schert sich so gar nicht um Subtilität. Das Publikum wird nicht wirklich angehalten, selbst über etwas nachzudenken, Mitevska teilt schon sehr genau mit, was sie von allem hält: Der Film ist ein Frontalangriff auf alte patriarchische Strukturen und eine systematische Unterdrückung von Frauen.

Dem Unterhaltungsfaktor hat diese Vorgehensweise jedoch nicht geschadet. Gott existiert, ihr Name ist Petrunya ist mal witzig, mal erschreckend, zwischendurch auch sehr spannend. Wenn Petrunya in der Polizeistation festsitzt, während draußen der Mob gewaltsam an den Türen rüttelt, dann kann prinzipiell alles geschehen, flirtet der Film durchaus mit dem Thrillergenre. Am Ende hat Teona Strugar Mitevska aber vor allem ein Werk abgeliefert über eine Verliererin, die doch zur Gewinnerin wird. Sie wird die Welt nicht verändern, nicht die Gesellschaft modernisieren. Aber sie wird standhalten, lernen jemand zu sein, in einem Umfeld, das sie nicht sieht, nicht sehen will. Und das ist am Ende so ermunternd und hoffnungsvoll, dass man sich auch als Zuschauer*in besser fühlt.

Credits

OT: „Gospod postoi, imeto i‘ e Petrunija“
Land: Belgien, Frankreich, Nordmazedonien
Jahr: 2019
Regie: Teona Strugar Mitevska
Drehbuch: Elma Tataragić, Teona Strugar Mitevska
Musik: Olivier Samouillan
Kamera: Virginie Saint-Martin
Besetzung: Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Simeon Moni Damevski, Suad Begovski, Stefan Vujisic, Violeta Shapkovska

Bilder

Trailer

 

InterviewTeona Strugar Mitevska

Was hat es mit der Geschichte von Gott existiert, ihr Name ist Petrunya auf sich? Und wie ist die aktuelle Lage in Nordmazedonien? Diese und weitere Fragen haben wir Regisseurin Teona Strugar Mitevska in unserem Interview gestellt.

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

In „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ bringt eine arbeitslose Verliererin Anfang 30 ein religiöses Ritual durcheinander und damit den Rest ihres Ortes gegen sich auf. Das satirische Drama ist dabei ein Frontalangriff auch alte patriarchische Strukturen, wechselt von unterhaltsam über schockierend bis zu spannend – aber auch hoffnungsvoll, wenn ein Niemand zu einem Jemand wird.
8
von 10