In the Tall Grass Netflix Stephen King Im hohen Gras
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Im hohen Gras

In the Tall Grass Netflix Stephen King
„Im hohen Gras“ // Deutschland-Start: 4. Oktober 2019 (Netflix)

Eigentlich wollten die hochschwangere Becky (Laysla De Oliveira) und ihr Bruder Cal (Avery Whitted) nur einen kleinen Zwischenstopp einlegen auf dem Weg zu ihrer Familie. Doch dann hören sie aus dem Grasdickicht die Stimme eines kleinen Jungen (Will Buie Jr.), der sich darin verlaufen haben muss und nun nicht mehr den Weg hinausfindet. Das bringt zwar ihre eigenen Pläne durcheinander, aber eine wirkliche Wahl haben die Geschwister nicht: Sie werden da wohl helfen müssen. Was soll schon groß passieren? Eine Menge, wie sie kurze Zeit später feststellen, denn nun finden auch sie nicht mehr heraus. Dafür begegnen ihnen im dem unübersichtlichen Labyrinth immer wieder andere Menschen – auch solche, die eigentlich gar nicht dort sein dürften …

Und der filmische Run auf Stephen King hält an, jeder will von dem wiederentdeckten kommerziellen Potenzial teilhaben, welche die Werke des Meister des Schreckens haben. 2019 kamen bereits das Remake Friedhof der Kuscheltiere sowie die Clown-Horror-Fortsetzung Es Kapitel 2 in die Kinos, Doctor Sleeps Erwachen steht kurz bevor. Im Serienbereich wird fleißig weitergewerkelt. Und natürlich will sich auch Netflix die Chance nicht entgehen lassen, den Hype irgendwie in bare Münze umzuwandeln. Schließlich stieg der Streamingdienst schon frühzeitig auf den Erfolgszug auf, zuletzt vor zwei Jahren mit dem Doppelpack Das Spiel und 1922.

Ein kurzer Ausflug in den Horror
Dieses Mal steht Im hohen Gras auf dem Programm, eine Novelle aus dem Jahr 2012, die King zusammen mit seinem Sohn Joe Hill verfasst hat. Der Name des Buches wie auch des Films ist Programm: Nahezu die komplette Geschichte spielt innerhalb eines Feldes, das ausschließlich aus riesigem Gras besteht. Das hört sich vielleicht komisch an, nicht unbedingt nach dem Stoff, aus dem Albträume gemacht werden. Zumal die Handlung über weite Strecken tagsüber stattfindet, unter einem strahlend blauen Sonnenschein. Und doch meint der Film das tatsächlich ernst und verlässt sich darauf, dass schon der bloße Verlust von Orientierung eine Heidenangst einjagen kann.

Soviel vorweg: Der Plan geht nicht wirklich auf. Dabei verpflichtete Netflix mit Vincenzo Natali einen Mann, der dafür eigentlich prädestiniert ist. Schließlich drehte der vor zwanzig Jahren Cube, der bis heute Kultstatus genießt. Und wer einen Film über ein Labyrinth aus Zimmern drehen kann, der wird das auch bei Gras schaffen. So wohl der Gedanke. Leider stellt sich relativ bald heraus, dass dem nicht so ist. Wo die verschiedenen Zimmer noch mit diversen perfiden Fallen für Abwechslung sorgten, da bedeutet das Herumirren bei In the Tall Grass, dass irgendwelche Leute durchs Gras laufen, laut um Hilfe rufen und irgendwo anders jemand antwortet, ohne dass derjenige je erreicht würde. Dass eine solche Erfahrung bei den Betroffenen für Panik sorgt, das ist durchaus nachzuvollziehen. Daheim sorgt das jedoch weniger für Nervenkitzel.

Wie kommst du denn hierher?
Interessant wird es erst, als die Geschichte eine unerwartete Wendung nimmt. Nicht nur der Weg durch das Labyrinth ist alles andere als geradlinig, der Film selbst beginnt irgendwann sich im Kreis zu drehen. Die offensichtlichen Parallelen zu Kinder des Zorns werden weniger, stattdessen darf das Publikum nun rätseln. Wie kommen die ganzen Leute hier rein? Warum kommen sie nicht heraus? Was soll das Ganze überhaupt? Antworten darauf gibt es, doch die fallen leider nicht so spannend aus wie die dazugehörigen Fragen. Eigentlich arbeitet die King-Familie in In the Tall Grass nur mit Klischees. Von den Figuren selbst sollte man ohnehin nicht mehr erwarten, deren einzige Aufgabe ist es, im Kreis zu laufen und dabei abwechselnd einander anzuschreien oder um Hilfe zu schreien.

Das Problem ist dabei gar nicht mal so sehr der Inhalt an sich. Das Szenario ist ungewöhnlich genug, um einmal in dieses Labyrinth eintauchen zu wollen. Und auch die diversen Verschränkungen, die erst mit der Zeit als solche zu erkennen sind, gefallen, könnten durchaus als eine Folge von Twilight Zone durchgehen. Das Problem: Im hohen Gras das auf dem Fantastic Fest 2019 Weltpremiere hatte, dehnt die in einem Magazin veröffentlichte Geschichte auf Spielfilmlänge aus, ohne dass diese dafür genug hergeben würde. Wo anfangs und im Mittelteil noch die Neugierde überwiegt, da ist ausgerechnet im letzten Drittel auf dem Weg zum großen Finale die Luft raus. Da hilft dann auch der Auftritt von Patrick Wilson (Conjuring – Die Heimsuchung) als einer der Verlorenen nicht mehr, da war die Vorfreude größer als das Ergebnis.



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„Im hohen Gras“ erzählt von einem Paar, das in einem Grasfeld verlorengeht, während es einen Jungen retten will. Das hört sich komisch an, ist aber eine Weile doch interessant – vor allem, als die Geschichte ebenso wendungsreich wird wie der Weg. Mit der Zeit überwiegt aber die Langeweile, wenn der Inhalt unglücklich auf Spielfilmlänge ausgeweitet wird und die Abwechslung zu wünschen übrig lässt.
5
von 10