Schon länger war Alicia (Manuela Vellés) nicht mehr zu Hause gewesen, hatte auch kein rechtes Bedürfnis danach, war das Verhältnis zu ihrer Mutter (Emma Suárez) doch immer schwierig. Doch nun liegt diese im Sterben. Also zieht sie zusammen mit ihrem Mann Mikel (Alain Hernández) und Tochter Nora (Claudia Placer) in das Anwesen, in dem viele finstere Erinnerungen lauern. Auch Alicias jüngere Schwester Sara (Maggie Civantos) will in der kurzen Zeit, die ihrer Mutter bleibt, noch einmal die Familienbande erneuern. Aber schon auf der Testamentsverkündung kommt es zu einem heftigen Streit, als bekannt wird, dass der komplette Besitz Nora vermacht werden soll. Und das ist nicht die einzige nervenaufreibende Erfahrung, welche die Familie in der kommenden Zeit machen wird …
Dieses Wochenende hat Netflix, wohl auch in Hinblick auf das kommende Halloween, richtig viel düsteren Stoff zusammengetragen, um das Publikum bei Laune zu halten. Neben dem Breaking Bad-Film El Camino hätten wir die Serienkiller-Groteske The Forest of Love vom japanischen Enfant terrible Sion Sono, auch der Thriller Fractured kann mit einigen prominenteren Namen punkten. Der vierte im Bunde kann das nicht, weder vor noch hinter der Kamera tauchen bei La Influencia – Böser Einfluss irgendwelche Berühmtheiten auf. Dafür ist die spanische Produktion der einzige richtige Horrorfilm im Quartett, weshalb ihr dann trotz der großen Inhouse-Konkurrenz doch ein wenig Aufmerksamkeit zuteilwerden dürfte.
Altbekanntes, ein bisschen anders
Das Szenario und das Setting sind hingegen nicht unbedingt als Alleinstellungsmerkmal geeignet. Dass Familienmitglieder angesichts des drohenden Todes des Oberhaupts zusammenkommen und dabei mit der eigenen düsteren Vergangenheit konfrontiert werden, das wird immer wieder gerne in Filmen erzählt. Und etwas abgelegene große Häuser, deren Dielen schon knarzen, wenn man sie überhaupt nur anschaut, die gehören sowieso zum Grundstock des Genres. Zumal Regisseur und Co-Autor Denis Rovira van Boekholt, der nach diversen Kurzfilmen mit La Influencia – Böser Einfluss sein Spielfilmdebüt gibt, nicht lange zögert, um das Publikum darauf aufmerksam zu machen, dass da etwas nicht stimmt in dem Haus und mit der alten Dame.
Das erinnert schnell an einige große Titel des Horrorbereichs. Die besondere Verbindung einer Großmutter zu ihrer Enkelin stand auch letztes Jahr in Hereditary – Das Vermächtnis im Mittelpunkt, die bettlägerige, alte Dame weckt Assoziationen mit Bis das Blut gefriert, wo gleich zwei solcher Damen vernachlässigt in ihrem Familienhaus starben und damit die Grundlage für großen Horror legten. Doch trotz dieser offensichtlichen Ähnlichkeiten, um eine bloße Kopie handelt es sich bei La Influencia – Böser Einfluss nicht. Der Film ist leider auch nicht ansatzweise so gut wie die beiden obigen Kollegen, da ihm die großen Höhepunkte fehlen, Szenen, die sich einem ins Gedächtnis brennen.
Ein teuflisch gutes Kind
Allenfalls die Brutalität, die der Film später an den Tag legt, überrascht, schockiert vielleicht sogar ein wenig. An der Stelle ist die Leistung der jungen Claudia Placer (Verónica – Spiel mit dem Teufel) hervorzuheben, die hier eines der unheimlicheren Kinder der letzten Zeit spielt. Auf sie gehen dann auch die intensivsten Szenen zurück. Sonderlich zahlreich sind diese jedoch nicht, La Influencia – Böser Einfluss beginnt zwar schon früh, mit dunkleren Elementen zu spielen und Andeutungen darauf zu machen, was einem noch alles bevorsteht. Es entsteht jedoch keine so rechte Spannung daraus. Auch Neugierde weckt der Film eher weniger, da er das meiste schon sehr früh verrät, man also vorwiegend auf das Unvermeidbare wartet.
Die eine oder andere Wendung gibt es dann schon noch, vor allem bei der Frage, weshalb die Familie eigentlich so kaputt ist. Doch das Ganze taugt dann eher als Porträt einer dysfunktionalen Familie, die es nie gelernt hat, sich den eigenen Dämonen zu stellen. Da braucht es gar keine fremden Dämonen mehr. Dennoch ist La Influencia – Böser Einfluss über weite Strecken zumindest brauchbar, wenn wir nach und nach dem Horror des Alltags erliegen. Es braucht dafür jedoch ein wenig Geduld, erst zum Ende hin dreht der Film etwas auf. Leider schießt van Boekholt dabei übers Ziel hinaus, was als furchteinflößendes Finale gedacht war, ist eher bizarr ausgefallen. Insgesamt ist der spanische Streifen dadurch leider nur passabel, da darf bis Halloween bitte noch etwas Besseres nachfolgen.
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