Der Glaube, dass Menschen von Dämonen besessen sein könnten, der ist inzwischen hierzulande nicht mehr allzu sehr verbreitet. Sicher, wir schauen uns vielleicht ganz gern Filme dazu an, das Horror-Genre wimmelt vor Beispielen, in denen irgendwelche abgrundtief bösen Kreaturen die Menschen übernehmen. Im Alltag ist für dieses Thema aber kein Platz mehr. In Burkina Faso ist das noch anders. Im westafrikanischen Land ist dieser Glaube durchaus noch gebräuchlich, sehr zum Leidwesen von Teilen der Bevölkerung, denen mangels besseren Wissen eine solche Besessenheit angedichtet wird.
Genauer sind es zwei Gruppen, deren Zustand auf diese Weise missverstanden wird. Die eine leidet an Epilepsie und wird ohne ersichtlichen Grund von Krampfanfällen heimgesucht. Die andere hat mit psychischen Krankheiten zu kämpfen. Tatsächlich vergleichbar sind diese beiden Formen von Krankheit natürlich nicht, zumal der psychische Bereich ein so weites Feld ist, dass man ihn ohnehin kaum zusammenfassen kann. Beiden gemeinsam ist aber, dass man in Burkina Faso wenig Verständnis dafür aufbringt und die Ursachen bei dämonischen Kräften sucht. Wer nicht normal ist, bei dem hat der Teufel seine Hände im Spiel.
Ein kurios-grausamer Alltag
Das klingt komisch. Der eine oder andere mag diese Form des Aberglaubens auch belächeln. Bis er La Maladie du Démon – Die Krankheit der Dämonen gesehen hat, das einem so ziemliches jedes Lächeln entreißt, das man vielleicht noch in sich hatte. In ihrem Dokumentarfilm zeigt Lilith Kugler, wie in dem afrikanischen Land mit Betroffenen umgegangen wird. Und das Ergebnis ist erschreckend. Immer wieder sehen wir Leute, die angekettet werden, an Baumstämmen beispielsweise. Und selbst wer frei ist, ist nicht wirklich frei, sondern ein Ausgestoßener, mit dem niemand etwas zu tun haben möchte. Isolation kann viele Formen annehmen, so viel wird hier deutlich.
Zumindest zwei Menschen ist Kugler bei ihren Dreharbeiten begegnet, die sich damit aber nicht abfinden wollen. Sowohl der Pfarrer Tankpari Guitanga wie auch der Krankenpfleger Timothée Tindano versuchen, den Leidenden und Missverstandenen irgendwie beizustehen. Mal klären sie auf, mal befreien sie von Fesseln, manchmal hören sie aber auch einfach nur zu – eine Selbstverständlichkeit in einer menschlichen Zivilisation, die keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Das ist visuell nicht unbedingt aufregend, ein Großteil des Films besteht aus Interviews und Erzählungen. Anlass für Aufregung haben die erzählten Geschichten jedoch durchaus.
Ein Albtraum, der bleibt
Eine Epileptikerin, die ins Feuer gefallen ist und die man dort verbrennen ließ. Ein Mann, der von der eigenen Familie in kleine Teile gehackt wurde. Spätestens an diesen Stellen macht sich das Grauen breit, auch wenn wir nichts davon zu sehen bekommen, die Szenen lediglich im Kopfkino entstehen. Ansonsten ist La Maladie du Démon aber ein sehr nüchterner Film, mit viel Distanz, der sich vor allem mit dem Aufzeigen der Missstände beschäftigt. Und von denen gibt es einige: Kein Wunder, im gesamten Land gibt es gerade einmal neun Psychiater und etwas mehr als 100 Fachkräfte – bei zusammen 20 Millionen Einwohnern. Eine fachgerechte Versorgung ist auf diese Weise nicht möglich, scheint die wenigsten auch zu interessieren.
Aber ist das dann auch von Interesse für hiesige Zuschauer und Zuschauerinnen? Spielt es eine Rolle, was in einem fernen, von Aberglauben geprägten Land passiert? Zugegeben, das Thema ist schon speziell. Und doch, ganz ohne Relevanz ist es auch für ein hiesiges Publikum nicht. Gerade das Thema psychische Erkrankung hat nach wie vor mit Tabuisierung zu kämpfen, Betroffene zu isolieren hat bei uns ebenfalls unschöne Tradition. Wer anders ist, soll woanders sein. Auch wenn der Schauplatz in La Maladie du Démon – Die Krankheit der Dämonen weit weg ist, das Plädoyer für einen respektvollen, menschenwürdigen Umgang ist bis hierher zu hören und nicht minder wichtig in einer Zeit, in der Abgrenzung wieder in Mode gekommen ist, Schwächere zu Opfern gemacht werden, obwohl sie eigentlich unsere Hilfe verdient hätten.
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