Mazedonien ist nicht unbedingt ein Land, das allzu oft in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Wäre da nicht der kuriose Namensstreit mit dem Nachbarn Griechenland gewesen, der in der Umbenennung in Nordmazedonien endete, manch einer hierzulande dürfte gar nicht gewusst haben, dass es diesen Staat überhaupt gibt. Umso spannender ist es, wenn es mal ein Film aus der ärmlichen Republik, in der rund zwei Millionen Menschen leben, bis zu uns schafft. Land des Honigs heißt dieser Film und hat eine lange Reise hinter sich, über viele Filmfeste hinweg. Eines davon ist Sundance, wo die Dokumentation ihre Premiere hatte und auch mit drei Preisen ausgezeichnet wurde.
Ob in Nordmazedonien tatsächlich so viel Honig produziert wird, das bleibt offen. Allgemein verzichten die Regisseure Tamara Kotevska und Ljubomir Stefanov darauf, dem Publikum zu viele Kontexte und Informationen mitgeben zu wollen. Der Film beginnt mit einer langen wortlosen Szene, in der wir Hatidze beobachten, wie sie sich langsam zu ihrem Bestimmungsort begibt. Etwa 50 Jahre ist die Frau, sieht aber deutlich älter aus, wohl auch weil sie unter einfachsten Bedingungen mitten im Nirgendwo lebt und von der Landwirtschaft lebt. Genauer von dem Honig, die ihre Bienen produzieren, hinter einer Steinplatte, die niemals vermuten ließe, wie viel Leben dahinter summt und brummt.
Für mehr Gemeinsamkeit
Hatidze ist es dann auch, die im Mittelpunkt von Land des Honigs steht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Dokumentarfilm das Alleinsein feiern würde, auch wenn die Landschaften durchaus sehr einladend sind. Im Gegenteil: So sehr der Film ein Porträt der Frau ist, sein eigentliches Thema ist das Miteinander. Ein Miteinander mit den Menschen, ein Miteinander mit der Natur. Beispielsweise hat auch Hatidzes Mutter regelmäßige Auftritte. Die ist alt, krank, kann sich kaum noch bewegen, die kompletten anderthalb Stunden des Streifens wird sie sich nicht aus dem Bett erheben – weil sie es nicht mehr kann. Regelmäßig kommt es dabei zu kleinen Reibereien zwischen den Frauen, aber eben auch Momenten der Zärtlichkeit und einer tiefen Verbundenheit, wenn sie sich eine schäbige Hütte teilen.
Parallel dazu zeigen Kotevska und Stefanov, wie sich Hatidze um ihre geflügelten Freunde kümmert. Dabei ist es ihr ein großes Anliegen, die kleinen Insekten nicht einfach nur als Honigmaschinen zu betrachten. Vielmehr liegt ihr das Wohl der Bienen am Herzen und bei allem, was sie tut, hat sie ein Auge auf das Maß. Sie entnimmt nie zu viel Honig, sondern teilt sich die Vorräte. Mögen große Unternehmen sich Nachhaltigkeit in ihre Broschüren drucken und von hübschen jungen Damen an Messeständen ins Ohr der Besucher säuseln lassen, bei der Nordmazedonierin ist das gelebte Philosophie. Denn nur wer mit der Natur lebt, anstatt von ihr, wird sich dauerhaft an deren Schätzen erfreuen können.
Ungleiche Nachbarn
Und damit dieser Unterschied auch deutlich wird, gibt es noch die Nachbarn, eine Nomadenfamilie, die sich irgendwann in unmittelbarer Nähe zu Hatidze niederlässt und sich ebenfalls an Landwirtschaft versucht, genauer mit der Zucht von Rindern – und mit Honig. Dahinter steckt dann zwar kein großer Konzern, den man für die systematische Zerstörung der Natur verantwortlich machen kann. Allein schon, weil bei der Chaostruppe nichts systematisch erfolgt. Aber sie stehen für ein ganz anderes Verständnis von der Natur. Genauer stehen sie für das Nicht-Verständnis, wenn ihnen die Tiere wegsterben und sie beim Versuch Honig einzusammeln ständig von den Bienen gestochen werden, die für sie bis zum Schluss Fremdkörper bleiben werden.
In Zeiten, in denen Klima- und Naturschutz wieder weiter nach oben auf der Prioritätenliste gerückt ist, ist die Veröffentlichung von Land des Honigs ideal. Der Film zeigt deutlich, was getan werden müsste, um wieder zurück zur Natur zu finden. Er zeigt aber auch, dass das vermutlich keine echte Option sein wird, so lange wir nicht Verzicht üben, Honig beispielsweise nicht einfach zu einem günstigen Produkt reduziert wird, das wir aus einem Supermarktregal nehmen. Das ist teilweise romantisiert, teilweise ausgesprochen bitter, gerade zum Ende hin, insgesamt eine wertvolle und sehenswerte Erinnerung daran, wie sehr die Welt und wir uns entfremdet haben, und damit ein Plädoyer dafür, uns wieder anzunähern.
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