Last Ferry
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Last Ferry

Last Ferry
„Last Ferry“ // Deutschland-Start: 31. Oktober 2019 (Kino) // 15. November 2019 (DVD)

Joseph (Ramon Torres) hatte sich das alles irgendwie anders vorgestellt. Eine schöne Insel, auf der vornehmlich Schwule Urlaub machen, das klang vielversprechend, nach Spaß, vielleicht auch der großen Liebe. Stattdessen wird der junge, unbedarfte Anwalt von einem vermeintlichen Flirt unter Drogen gesetzt und ausgeraubt, muss in diesem erbärmlichen Zustand auch noch einen Mord beobachten. Oder glaubt es zumindest. Immerhin, auf diese Weise lernt er Cameron (Sheldon Best) kennen, der das kümmerliche Elend aufsammelt und mit zu sich nach Hause nimmt. Aus dieser Begegnung wird schnell Sympathie, bald auch mehr. Doch da ist ja immer noch der Mörder irgendwo auf der Insel …

Filme des Queer Cinema stammen meistens aus dem Drama-Bereich, eventuell auch der Komödie, handeln von großen Gefühlen oder den Schwierigkeiten, diese auszuleben. Homosexuelle, die im Rahmen des Genrekinos unterwegs sind, das ist jedoch eine Seltenheit. Mit Messer im Herz und The Perfection gab es zwar zwei Vertreter dieses Jahr, doch die grausigen Szenen gingen immer mit einer ausgeprägten Portion Humor einher, oft bewusst an der Grenze zum grotesken Trash angelegt. Ernsthafte Thriller, Krimis oder Horrorfilme, darüber stolpert man wirklich nur selten.

Schön und furchtbar
Last Ferry ist ein solch seltener Fall, teilweise zumindest. Nach einem etwas ziellosen Einstieg, der eher auf einen Selbstfindungstrip schließen lässt, geht es bald hoch her. Gewalt, Raub, Drogen, Mord – das sind nicht unbedingt Erfahrungen, die man sich von einem Urlaub auf einer schönen Insel verspricht. Der Kontrast aus finsteren Abgründen und der freundlich-idyllischen Umgebung gehört sicher auch zu den Stärken des Films. Ähnlich zum Horror-Highlight Midsommar, das am helllichten Tag den schlimmsten Albtraum wahr werden lässt, klaffen hier Fassade und Inhalt weit auseinander. So weit, dass man sich gar nicht ganz sicher ist, was denn nun davon eigentlich wahr ist.

Ramon Torres, der hier die Hauptrolle übernahm, aber auch das Drehbuch schrieb, hat jedoch überhaupt kein Interesse daran, diesen Zweifel auch für seinen Film zu nutzen. Wo in anderen Werken mit einem ähnlichen Setup entweder der Betroffene selbst oder die sonstigen Figuren daran zweifeln, ob das Verbrechen stattgefunden hat, da steht das hier nicht zur Debatte. Und auch das Szenario, mit einem Killer auf einer Insel gefangen zu sein, wird nicht wie beim Agatha Christie Klassiker Zehn kleine Negerlein – Das letzte Wochenende zum Rätselraten gebraucht, zu einem generellen Unwohlsein, wer um dich herum der Mörder sein kann. Das wird ziemlich schnell verraten.

Anders, nicht besser
Nun muss natürlich nicht jeder Film derselben Vorlage folgen. Großzügige Geister werden Last Ferry sogar zugutehalten können, dass hier alles ein bisschen anders ist. Nur bedeutet anders eben nicht automatisch besser. Die Geschichte um einen mysteriösen Mörder verschwindet zwischendurch so stark von der Bildfläche, dass man sich als Zuschauer selbst fragt, ob man sich die Szene eingebildet hat. Stattdessen gibt es lauter Gruppenszenen mit dem Freundeskreis von Cameron, die zu allem Möglichen etwas zu sagen haben. Das wäre nicht verkehrt, wenn diese Themen denn auch mal etwas vertieft würden. Doch gleich, was hier mal angesprochen wird, es wird sofort wieder ignoriert.

Auch das grundsätzlich durchaus reizvolle Szenario, das durch das Auftauchen des Mörders entsteht, entwickelt sich nie so wirklich. Es entsteht einfach nicht die notwendige Spannung, die ein solches Thema verdienen würde. Als Alternative für das oft gleichförmige Queer Cinema ist Last Ferry sicher nicht schlecht. Eine Insel voller junger attraktiver Männer dürfte für manche ebenfalls ein Grund sein, die Reise anzutreten. Trotz der vereinzelt guten Bestandteile bleibt von diesem Trip aber nicht genügend übrig, an das man sich unbedingt erinnern müsste.



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Auf einer bei Schwulen beliebten Insel wird ein junger Anwalt erst überfallen und betäubt, beobachtet dann auch noch einen Mord. „Last Ferry“ beschreibt ein Szenario, das eigentlich wie gemacht ist für ein bisschen Nervenkitzel. Doch der bleibt am Ende aus, der LGBT-Thriller geht einen eigenen Weg, der als Konzept interessant ist, insgesamt aber nicht wirklich überzeugt.
5
von 10