Schon seit einer Weile ist Miles Elliot (Paul Rudd) nicht mehr so wirklich glücklich. Bei der Arbeit in einer Werbeagentur läuft es nicht rund, andere haben inzwischen seinen Platz im Rampenlicht eingenommen, während er hilflos danebensteht. Sein Privatleben wird hingegen vom Kinderwunsch seiner Frau Kate (Aisling Bea) bestimmt, die von ihm unbedingt einen Fruchtbarkeitstest einfordert, damit das endlich mal was wird mit dem Nachwuchs. Stattdessen beschließt er aber eines Tages, seine gesamten Ersparnisse in eine mysteriöse Spa-Behandlung zu investieren, die ihm ein besseres Leben verspricht. Doch ehe er es sich versieht, wacht er vergraben in einem Wald auf und muss feststellen, dass ein Doppelgänger sein Leben übernommen hat, der genauso ist wie er – nur besser …
Das komische Talent von Paul Rudd ist unbestreitbar, seit seiner wiederkehrenden Nebenrolle in der Hitserie Friends, zu deren Ensemble er ab 2002 gehörte, war er in unzähligen Filmen zu sehen. In den letzten Jahre beschränkte er sich jedoch auf kleinere Rollen, seine Auftritte als winzig kleiner Held wider Willen in Ant-Man und diversen anderen Marvel-Abenteuern einmal ausgenommen. Da ist es doch ein mehr als willkommenes Wiedersehen, wenn sich der charismatisch ewig junge Schauspieler nun in der Netflix-Serie Living with Yourself zurückmeldet. Umso mehr, da er hier eine Doppelrolle als sich selbst angenommen hat, Fans also mehr als genug von ihrem Liebling zu sehen bekommen.
Die Serie ist nicht groß genug für drei
Tatsächlich nimmt Rudd in der Serie so viel Raum ein, dass für den Rest nicht mehr viel übrig bleibt. Am besten erwischt es da noch Kate, die als Objekt der Begierde der beiden Miles-Figuren eine besondere Aufmerksamkeit genießt. Sie tritt jedoch relativ selten als eigenständiger Charakter auf, die meisten ihrer Themen sind dann doch in ihrem Verhältnis zu ihrem Mann begraben. Bei anderen Figuren sieht es noch übler aus. Die haben überwiegend die Funktion, den Plot voranzutreiben wie etwa Miles’ Kollege, der ihm den Spa vorgeschlagen hat und danach schlicht nicht mehr gebraucht wird. Wie kaum eine andere Serie verlässt sich Living with Yourself daher auf die Stärke seines Protagonisten.
Doch diese Fixierung auf den Schauspieler wird auch zur Schwäche, wenn der Inhalt nicht ganz mithalten kann. Die von Timothy Greenberg erdachte Serie hat dabei eigentlich ein wunderbares Szenario, das gleichermaßen bizarr wie lebensnah ist. Eine Midlife-Crisis ist schließlich kein seltenes Phänomen. Jeder dürfte sich irgendwann in seinem Leben einmal gefragt haben: War es das schon? Hätte ich nicht mehr erreichen können? Sollte ich nicht glücklicher sein? Living with Yourself ist dabei durchaus auch als Kommentar zum Selbstoptimierungswahn zu verstehen, der uns durch ideale Fremdbilder vor Augen geführt wird. Auch du kannst es schaffen, besser als alle anderen zu sein. Du musst dich nur etwas anstrengen.
Die traurige Geschichte eines Niemands
Nun ist gerade das mit der Anstrengung aber nicht so einfach, wenn man müde ist, ausgelaugt, das Gefühl hat, schon zu viel gesehen und getan zu haben. Auch wenn der Ton von Living with Yourself natürlich heiter ist und komische Situationen im Vordergrund stehen – von der Absurdität, vom eigenen Klon überholt zu werden ganz abgesehen –, die zugrundeliegende Geschichte ist eigentlich ziemlich traurig. Ein Mann, der seine Freude am Leben verloren hat, in der Beziehung nicht vorankommt, bei der Arbeit an den Rand geschoben wird, grundsätzlich mit sich und allem unzufrieden ist. Eigentlich ist Miles ein ziemlicher Verlierer, was Rudd auch überzeugend genug rüberbringt. Ein Niemand, der einem schon etwas leid tut. Oder leid täte, wenn er nicht so erbärmlich wäre. Interessant wird es natürlich durch den Kontrast aus den beiden Miles-Figuren, die genau gleich, aber doch anders sind. Einer, der vom Leben gezeichnet ist, einer, der es gerade neu entdeckt. Wie ein Kind, nur mit allen alten Erinnerungen.
Darin sind eine Reihe von Fragen impliziert, die wir aus dem Science-Fiction-Bereich gut kennen. Wie sehr sind wir durch Gene bestimmt, wie sehr durch Erfahrungen? Was macht eine Persönlichkeit aus? Sind geerbte Erinnerungen anders als erlebte Erinnerungen? Und macht das einen Unterschied? Leider holt Living with Yourself nicht wirklich viel aus diesem philosophischen Potenzial raus, beschränkt sich meistens auf den reinen Unterhaltungswert. Der ist dafür aber beachtlich, selbst wenn die Serie nie so abgefahren wird, wie es das Szenario hergeben würde. Außerdem wurde zumindest versucht, durch die regelmäßig wechselnden Erzählperspektiven, wenn vom einen Miles zum anderen getauscht wird, ein bisschen Spannung hineinzubringen. Das wäre sicher auch durch etwas ambitionierte Drehbücher möglich gewesen, erfüllt aber seinen Zweck: Wer etwas schräge Komödien mag, sollte es hiermit mal versuchen.
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