Als Übersetzerin des britischen Geheimdienstes ist es Katharine Gun (Keira Knightley) gewohnt, immer mal wieder brisante Inhalte vor sich zu haben. Dieser aber übertrifft alles, was bisher da war: Die USA wollen Mitglieder des Sicherheitsrates erpressen, damit sie für einen Angriff auf den Irak stimmen. Zu groß sind ihre moralischen Bedenken, um da tatenlos zusehen zu können. Und so schmuggelt sie die Informationen nach außen, wo bald die Presse darauf aufmerksam wird: Die Zeitungsreporter Martin Bright (Matt Smith), Peter Beaumont (Matthew Goode) und Ed Vulliamy (Rhys Ifans) tun alles dafür, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Das wiederum will die Regierung unter allen Umständen verhindern und schreckt vor nichts zurück, um die Presse zu stoppen, während sie fieberhaft nach dem Whistleblower sucht …
Die Regierungen dieser Welt und ihre schmutzigen Geheimnisse, das ist doch immer wieder für ein bisschen Empörung gut. Und damit auch für Filme, die aus den verborgenen Verbrechen Kapital schlagen, indem aufrechte Helden und Heldinnen für die Wahrheit kämpfen. Die Unbestechlichen ist ein großer Klassiker. Die Verlegerin brachte Meryl Streep letztes Jahr ihre nunmehr 17. Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin ein. Im November kommen gleich zwei Filme in die deutschen Kinos, in denen kräftig im Müll der Politik gekramt wird. In The Report wird nach den brutalen CIA-Foltermethoden nach 9/11 gefahndet, in Official Secrets geht es um eine geplante Erpressung des UN Sicherheitsrates durch die USA.
Der ganz normale Skandal
Business as usual könnte man meinen, die letzten Monate mit Trump haben die Messlatte für dreiste Verbrechen noch einmal stark verschoben. Was früher noch als ganz großer Skandal gegolten hätte, wird in diesen verrückten Zeiten nur zu einer weiteren Aktennummer. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass Official Secrets überhaupt keine Wirkung mehr zeigen würde. Wer beispielsweise noch immer daran glaubt, dass Regierungen für das eigene Volk arbeiten, der bekommt hier einen kräftigen Dämpfer verpasst. Mindestens ebenso schlimm wie die skrupellosen Lügen und Aktivitäten rund um den Irakkrieg sind aber die Versuche, die Wahrheit zu unterdrücken. Dass Menschen, die solche Verbrechen aufdecken – die sogenannten Whistleblower – selbst als Verbrecher und Landesverräter gebrandmarkt werden, das ist richtig bitter.
In der ersten Hälfte gelingt es Regisseur und Co-Autor Gavin Hood (Ender’s Game – Das große Spiel, Eye in the Sky) auch ganz gut, aus dieser Thematik Spannung herauszuziehen. Auf der einen Seite Gun, die nach der Weiterleitung der Informationen zunehmend paranoid wird und befürchtet, jeden Moment erwischt zu werden. Auf der anderen Seite die Reporter, die irgendwie versuchen, diese Informationen bestätigen zu lassen, ohne zu wissen, woher diese eigentlich kommen. Auch das ist brisant, denn jeder Fehltritt kann da der letzte sein: Die Regierung wird nichts unversucht lassen, um die Veröffentlichung zu verhindern oder die Verantwortlichen unter Druck zu setzen, von Karriereende bis zu harten Strafen ist alles möglich, wer sich mit der Politik anlegt. Vor allem, wenn die USA involviert sind.
Drama statt echter Spannung
Die zweite Hälfte ist leider weniger geglückt. Ist erst einmal die Katze aus dem Sack, konzentriert sich der Film darauf, ob Gun für ihre Tat nun bestraft wird oder nicht. Auch hierauf will man die Antwort natürlich wissen, sich vielleicht ein bisschen darüber aufregen, wenn Moral als Verbrechen verunglimpft wird, während die wahren Verbrecher frei herumlaufen. Das trägt jedoch nicht die komplette Handlung, trotz der vielen Figuren tut kaum einer etwas Relevantes, es ist erst einmal nur Warten angesagt. Um das auszugleichen, setzt Hood auf ganz viel Drama und schießt dabei übers Ziel hinaus. Da ist so manche Szene dabei, die statt Nervenkitzel nur ein Augenrollen provoziert.
Insgesamt ist Official Secrets, das auf dem Sundance Film Festival 2019 Premiere hatte, aber ein durchaus solider Beitrag zu dem beliebten Subgenre des Enthüllungsthrillers, der teilweise fesselt, teilweise erschreckt. Er ist zudem überaus prominent besetzt, Keira Knightley (Colette) fungiert hier als integre Heldin wider Willen, die plötzlich um ihr Leben fürchten muss und der dafür die Sympathien des Publikums sicher sind. Auch der Rest des Ensembles erledigt seine Aufgaben ansprechend, ohne dabei jedoch sonderlich aufzufallen – was ein wenig durch die diversen Klischees bedingt ist, die das Drehbuch für die Figuren bewahrt. Da wäre doch mehr drin gewesen, um den Menschen hinter dem Skandal gerecht zu werden.
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