Der einstige Geschäftsmann Yong-ho Kim (Kyung-gu Sol) ist verzweifelt. Sichtlich betrunken pöbelt er eine Gruppe von Menschen an, welche die letzten Sonnenstunden des Tages nutzen, um ein Picknick zu veranstalten und Karaoke zu singen. Auch wenn einer aus der Gruppe in Yong-ho einen einstigen Schulkameraden zu erkennen meint, stört der Fremde nur durch seine laute Art und verlässt die Gruppe schon bald. Erst als er auf der nahen Eisenbahnbrücke steht, auf den nächsten Zug wartend, erkennen sie, was der Mann vorhat, nämlich sich zu umzubringen. Als der Zug angerast kommt, geht der Film zunächst nur drei Tage und dann immer weiter in die Vergangenheit dieses Mannes zurück, immer auf der Suche nach einer Antwort, welche Pfade ihn letztlich an jenem Tag auf die Eisenbahnbrücke gebracht haben. Neben der unglücklichen Beziehung zu seiner Frau sowie seinem wirtschaftlichen Ruin, werden auch immer wieder Abgründe in Yong-ho Kims Leben offenbart, die fragen, inwiefern dieser Weg nicht auch von ihm vorbereitet wurde, welche Schuld ihn auch am Unglück anderer trifft.
Berührungen mit den Leben anderer
In den letzten Jahren ist der Name des Südkoreaners Chang-dong Lee für ein Kino bekannt geworden, welches Themen wie Maskulinität, Erinnerung und nicht zuletzt die Geschichte Südkoreas erforscht. Nicht zuletzt durch seinen Film Burning wurde Lee einem internationalen Publikum bekannt gemacht, lief der Film doch, ähnlich wie Peppermint Candy, auf vielen Festivals überall auf der Welt und erhielt unzählige Auszeichnungen. Seine Herangehensweise bei Filmen wie auch in der Literatur, sagt Lee im Interview mit Journalist Andrew Chan, sei immer geprägt von der Absicht mit Menschen zu kommunizieren, deren Gesichter, deren Umwelt und deren Realitäten er nicht kenne.
Neben den vielen Themen, die Lees Werk berührt, ist es im Falle von Peppermint Candy vor allem Aspekte wie Erinnerung und Schicksal, welche die Geschichte prägen. Hierbei folgt das Drehbuch des Regisseurs einer rückwärtigen Chronologie, die immer wieder essenzielle Eckpunkte des Lebens Yong-hos beleuchtet mit dem Motiv der Spurensuche. Dieses Konzept mag zunächst sehr abstrakt klingen, bleibt aber über die gesamte Laufzeit von 130 Minuten sehr spannend, hat immer wieder neue Offenbarungen zu bieten, die sich vor allem bei näherer Betrachtung erschließen. Zu vergleichen wäre dies mit der Geschichte eines Leonard Shelbys, gespielt von Guy Pearce, aus Christopher Nolans postmodernem Meisterwerk Memento, einem Narrativ, das gleichermaßen die Bewertung von Erinnerungen thematisiert.
Außer den erzählerischen Aspekten wird dieses Konzept getragen von einem tief verwobenen Konzept der audiovisuellen Leitmotive. So leitet das Bild des Zuges und der Schienen jedes neue Segment ein, dient nicht nur als Echo des Suizids, sondern zudem als Darstellung dieses Weges, dieser Biografie, die rückverfolgt wird. Innerhalb der cleveren Struktur, getragen von den poetischen Bildern Hyung-ku Kims, erschließt sich die Bedeutung vieler dieser Motive, wie den im Titel erwähnten Pfefferminzbonbons, erst in den letzten Minuten des Films, der präzise geplant ist, aber seinem Zuschauer viel Spielraum und Ambivalenzen bietet.
Kontrollverlust und Schicksal
Chang-dong Lees Filme sind immer auch großes Schauspielerkino. Während man wahrscheinlich die gesamte Besetzung loben kann, ist es doch vor allem Kyung-gu Sol, der in der Hauptrolle das Publikum fesselt mit einer psychologisch und physisch zermürbenden Vorstellung. Tritt er in einer Szene noch als der coole, mit allen Wassern gewaschene Geschäftsmann auf, ist er in der nächsten ein Mann, dessen Mimik und Körperhaltung von einem schier unbeschreiblichen inneren Schmerz erzählen. Passend zu der erwähnten Struktur des Films schließt sich sein Spiel jener Ambivalenz an, jener Frage, ob das nach wie vor tragische Los dieser Figur an einer Stelle vermeidbar gewesen wäre, oder das letzte Puzzlestück in einer sich aus vielen Schicksalsschlägen zusammensetzenden Abfolge von Ereignissen ist. Diese Figur ist fähig zu einem Akt der Nächstenliebe, kann verletzlich sein, aber auch erheblichen emotionalen Schaden zufügen und grausam sein.
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