Pusher
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Pusher

„Pusher“ // Deutschland-Start: 8. September 2005 (DVD)

Inmitten der Straßen Kopenhagens hat der Kleinkriminelle Frank (Kim Bodnia) sein Revier. Selbst wenn die Geschäfte immer etwas besser laufen könnten, hält er sich über Wasser dank seiner Kontakte zu der Organisation des serbischen Gangsters Milo (Zlatko Buric) und seiner Freunde wie Tonny (Mads Mikkelsen). Als allerdings ein Drogendeal schiefläuft, wird er nicht nur für 24 Stunden von der Polizei ins Gewahrsam genommen, sondern schuldet Milo auch noch eine hohe Summe Geld, für die er Frank wenig Zeit gibt diese aufzutreiben, da er ansonsten den Preis in Blut zahlen muss. Mithilfe der wenigen Kontakte, die ihm verbleiben, versucht Frank unter Zeitdruck das Geld aufzutreiben, was sich als schier unmöglich herausstellt. In den wenigen Momenten der Ruhe, die ihm bleiben, versteckt er sich in der Wohnung der Stripperin Vic (Laura Drasæk), die mit ihm von einem Leben außerhalb der Kriminalität träumt, von einem Neuanfang.

Der Sprung ins kalte Wasser
Wenn der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn heute über die Teppiche in Cannes schreitet oder auf Filmfestivals wie dem gerade laufenenden in Köln geehrt wird, kann man die Spur dieses Ruhms zurückverfolgen zum ersten Teil der Pusher-Reihe. Die Geschichte hinter diesem Film, über die unter anderem das Bonusmaterial auf der DVD Film wie auch Laurent Duroches Dokumentation NWR – Die Nicolas Winding Refn Doku Aufschluss gibt, ist ebenso bewegt wie die um den Drogendealer in Pusher, gespielt von Kim Bodnia. Pusher war ursprünglich als Refns Bewerbungsfilms für die dänische Filmschule geplant, aber als Produzent Henrik Danstrup den Kurzfilm im Fernsehen sah, wollte er unbedingt den Regisseur kennenlernen. Letztlich beschloss Refn, das Angebot der Filmschule auszuschlagen und stattdessen seinen ersten Langfilm zu drehen.

Trotz des kleinen Budgets merkt man einem Projekt wie Pusher den Ehrgeiz seines Regisseurs an. Dieser hat nicht nur viel vor, sondern bedient sich gleich bei den ganz Großen im Filmgeschäft, wirkt Pusher doch vom Ton her mindestens so rau wie Martin Scorseses Hexenkessel. Während der 105 Minuten Laufzeit merkt man dem Film diese Verbindungen mehrfach an, alleine schon wegen der vielen Filmplakate, die man im Hintergrund sieht oder der Diskussionen Tonnys und Franks über die Vorzüge von Kino und Video.

Jedoch ist Pusher mehr als nur ein filmischer Teppich der Anspielungen und Zitate. Gerade der Handlungsort in Verbindung mit den langen Kamerafahrten kennzeichnen die Figuren im Film sowie ihren natürlichen Lebensraum. Ein Charakter wie Frank fühlt sich hier zu Hause, kennt jede Straße, jeden Club und bekommt überall freien Eintritt, was man an der bulligen Zielstrebigkeit bemerkt, mit der er sich durch den Film bewegt. Gleichzeitig ist die Stadt aber auch der Feind, kann jederzeit zuschnappen und beißen, was sich vor allem im letzten Drittel des Films bemerkbar macht, welches nicht nur thematisch, sondern auch visuell sehr düster geraten ist. War Frank vorher noch zielstrebig und selbstbewusst, wirkt er nun wie eine Maus in der Falle, ein Verirrter in einem urbanen Labyrinth. Zu diesem Thema kehren die anderen zwei Teile der Reihe immer wieder zurück und nicht zuletzt noch andere Werke des Regisseurs wie Only God Forgives oder Drive.

Gebrochene Männlichkeit
Kim Bodnia, der den ersten Darsteller in der Rolle des Frank ersetzten musste, bringt eine interessante Mischung aus Aggression und Sensibilität in den Film. Dieser Frank ist ein Charakter in einer langen Reihe von männlichen Einzelgängern, die Refn in seinen Filmen porträtiert, die auf der einen Seite ihren Ursprung in den bereits genannten filmischen Vorbildern haben, aber nicht zuletzt an ihren eigenen Prinzipien drohen zu zerbrechen. Ein Typ wie Frank will knallharter Gangster sein, hat aber in letzter Minute Gewissensbisse, als er sieht, dass es einem Junkie, der ihm Geld schuldet, bald an den Kragen geht. Er spricht davon, dem Sumpf der Drogen zu entkommen, kommt aber letztlich nicht über die Grenzen seiner eigenen kleinen Welt hinaus, die er täglich wie ein grimmiger Gefängniswärter beschreitet.

Zugleich ist sein Ethos der Reinheit – er möchte keinen „normalen“ Sex mit jemandem wie Vic – eine weitere Referenz auf das Kino eines Martin Scorsese, wirken doch gerade solche Aussagen aus dem Mund eines Drogendealers irgendwie hohl. In einem fast schon banalen Gespräch mit Tonny trinkt Frank den durch seinen Freund beschmutzten Cognac dennoch weiter, auch nachdem dieser seine „dreckigen Finger“ im Glas hatte. Das Grinsen Tonnys zeugt davon, wie weit es mit Franks Gebot der Reinheit bestellt ist.



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„Pusher“ ist der erste Teil einer Gangsterfilm-Reihe, der zugleich seinen Respekt vor dessen filmischen Vorbildern bezeugt, sich aber zudem als moderner Genrefilm beweist. Die visuelle Rauheit, die pointierten Dialoge sowie die guten, authentisch spielenden Darsteller machen „Pusher“ auch viele Jahre nach seiner Entstehung zu einem kurzweiligen Eintrag innerhalb des künstlerischen Schaffens seines Regisseurs.
7
von 10