Payton Hobart (Ben Platt), der aus einer wohlhabenden Adoptiv-Familie stammt, hat ein großes Ziel im Leben: Er will einmal Präsident der USA werden! Das liegt momentan zwar noch in weiter Ferne, da er nach wie vor zur Schule geht. Aber ihm ist bewusst, dass man für dieses Amt gar nicht früh genug anfangen kann. Sein erster Schritt soll sein, Schülersprecher an der High School Saint Sebastian zu werden. Dafür schreckt er vor nichts zurück. So macht er beispielsweise die krebskranke Infinity Jackson (Zoey Deutch) zu seiner Vize-Anwärterin, um genug Mitleidspunkte zu sammeln. Doch auch seine Gegenkandidatin Astrid Sloan (Lucy Boynton), die später in den Wahlkampf einsteigt, hat keinerlei Skrupel bei ihrem Ziel Payton aufzuhalten …
Wahlkampf in Deutschland, das ist normalerweise kein Anlass für Ärger, Freude oder sonstige Emotionen. Sicher, durch die Pöbeleien am rechten Rand des politisch gerade noch Erlaubten darf man manchmal ein wenig schockiert sein. Ansonsten scheint die Taktik der meisten Parteien aber zu sein, die Wähler und Wählerinnen so sehr zu langweilen, dass sie den Urnentermin komplett vergessen oder schlicht nicht mehr die Energie haben, noch einmal an einem regnerischen Sonntag die Wohnung zu verlassen. In den USA geht man in solchen Zeiten bekanntermaßen etwas kämpferischer zur Sache. Und selbst wenn gerade mal kein Wahlkampf herrscht, es findet sich immer ein Anlass, um politische Gegner durch den Dreck zu ziehen. Das ist unterhaltsamer und einfacher, als selbst Politik zu machen.
Der Abgrund hinter dem schönen Schein
Ein schönes Beispiel hierfür ist The Politician, welches kürzlich bei Netflix online gegangen ist. Wobei schön hier nur selten wörtlich zu nehmen ist. Die Kulisse ist es sicherlich, wenn die Serie vornehmlich von Privilegierten handelt, die in Luxusvillen hausen, wie man sie eben nur aus US-Produktionen kennt. Und natürlich sind die meisten Darsteller und Darstellerinnen attraktiv, selbst wenn sie todkrank sein sollen. Aber hinter dieser glitzernden Fassade lauern lauter Abgründe. Tatsächlich ist die Geschichte um einen verbissenen Wahlkampf so vollgestopft davon, dass man keinen Schritt mehr gehen kann, ohne gleich im nächsten moralischen Morast zu versumpfen.
Das ist klar übertrieben, soll es auch sein. Zumindest teilweise ist The Politician eine Satire auf die skrupellosen Schlammschlachten, die in den USA so üblich sind. Dass dies hier schon in einer Schule geschieht, bei einem Amt zudem, für das sich ohnehin keiner interessiert, verstärkt die Absurdität noch weiter. Wobei die Serie nie ganz die Schärfe erreicht, die man vielleicht erwarten könnte oder wollte. Es wird auch wirklich klar, ob die Serienschöpfer Ryan Murphy, Brad Falchuk und Ian Brennan, die zusammen auch schon Glee ersannen, ein erwachsenes Publikum ansprechen wollen, oder sich doch mehr an ihrem High-School-Musical-Hit orientieren, für den sie berühmt geworden sind. Denn Teenie-Drama und Musical-Nummern gibt es auch hier.
Von allem ein bisschen
Das passt nicht immer alles zusammen. Immer wieder wechselt The Politician die Tonart, wechselt auch unentwegt die Themen, ist daher ebenso wankelmütig wie die notorisch leere Politikerelite. Das kann manchmal etwas irritierend sein, wenn beispielsweise in Folge fünf urplötzlich eine Figur eingeführt wird, um die sich das gesamte Geschehen dreht, im Anschluss aber komplett verschwindet. Auch Themen wie Waffenpolitik oder LGBT, aus denen andere komplette Serien machen könnten, verkommen so zu Stichpunkten auf dem Teleprompter. So als ob sich das Kreativtrio nie dazu durchringen kann, auch einmal selbst etwas auszusagen: Für eine Serie, die von Politik handelt, ist das hier erstaunlich wenig politisch. Die drei geben einem auch kaum etwas mit, über das es sich im Anschluss nachzudenken lohnte, dafür ist das hier einfach zu dünn.
Aber es macht Spaß. Dieser Mangel an inhaltlicher Festlegung führt dazu, dass man schon aus Neugierde dranbleibt, was denn nun als nächstes passieren mag. Und es wird eine Menge passieren: Anstatt sich allein auf Debatten und Diffamierungen zu verlassen, greifen die Streithähne sowie deren Umfeld zu harten Mitteln, würden im Zweifelsfall auch über Leichen gehen. Außerdem ist The Politician fabelhaft besetzt. Ben Platt, selbst ein erfolgreicher Sänger, ist das Herz dieser Serie, das besonders in den leiseren, nachdenklichen Momenten laut schlägt. Auch bei den anderen Figuren wurden immer wieder Geschichten und Charakterzüge gefunden, um doch mehr aus ihnen zu machen als reine Karikaturen, wenn selbst die abscheulichsten und lächerlichsten Menschen ihre tragischen Momente haben. Andere sind hingegen schlicht und einfach witzig, so wie die von Jessica Lange verkörperte Großmutter von Infinity, die einen Glanzauftritt nach dem anderen hat. Und wenn zum Schluss zwei weitere Schauspielveteraninnen auftreten, um Staffel zwei vorzubereiten, dann darf man sich auf diese trotz der Schwächen jetzt schon freuen.
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