Kabul im Sommer 1998: Seit einiger Zeit schon ist Afghanistan fest in der Hand der Taliban, die einen Gottesstaat nach ihren Vorstellungen errichten wollen. Musik ist verboten, Frauen müssen unentwegt in Ganzkörperschleiern herumlaufen, schon der bloße Widerspruch kann fatale Folgen haben. Zunaira und Mohsen versuchen sich nicht zu sehr von der Unterdrückung durch die Taliban mitnehmen zu lassen, doch immer wieder kommt es zu Konflikten – mit den brutalen Schreckensherrschern wie miteinander. Atiq, der als Wärter in einem Frauengefängnis arbeitet, hat sich da schon besser mit der Lage arrangiert. Aber auch er hat seine Probleme und Zweifel, vor allem als sich seine Wege mit denen des Paares kreuzen …
Animationsfilme werden hierzulande gerne mal als Medium verkannt, das in erster Linie der Bespaßung von Kindern dient. Das ist verständlich, werden in Deutschland, ohnehin nicht die größte Animationsnation, nahezu ausschließlich solche Titel produziert. Düstere Titel aus dem Ausland haben es ebenfalls schwer, werden eher zögerlich veröffentlicht. Und wenn es doch mal wieder ein Animationsfilm in unsere Kinos schaffen sollte, der sich an Erwachsene richtet, werden diese ignoriert – siehe beispielsweise Teheran Tabu oder Cinderella the Cat –, was weitere Versuche nicht unbedingt wahrscheinlicher macht.
Harter Stoff en masse
Es wundert daher auch nicht, dass Die Schwalben von Kabul bislang noch ohne deutschen Verleih da steht. Immerhin, nach diversen internationalen Festivals – von Cannes bis zu Animation is Film –, haben nun auch die Hofer Filmtage den Titel eingeladen. Und das ist eine sehr erfreuliche Nachricht, auch wenn der Film an sich eher weniger dazu geeignet ist, Freude zu verbreiten. Im Gegenteil: Die Adaption des Romans Les hirondelles de Kaboul von Yasmina Khadra ist richtig harte Kost. Schon die erste Szene, die uns die brutale Tyrannei der Taliban vor Augen führt, ist so schockierend, dass man sich das mit dem Weiterschauen doch noch mal etwas überlegt.
Und es wird nicht bei dieser einen Szene bleiben. Die mit Angst und Waffengewalt regierenden Männer zeigen wenig Mitgefühl oder Wertachtung für menschliches Leben. Vor allem Frauen haben bei ihnen nichts zu melden und werden offen als minderwertige Wesen angesehen, deren Existenzzweck allein der Bedienung des Mannes geschuldet ist. Dafür nehmen die Herren auch Widersprüche in Kauf, Scheinheiligkeit und Bigotterie sind an der Tagesordnung. Man muss nicht einmal ein ausgesprochen großer Feminist sein, um sich an der menschenverachtenden Einstellung zu stoßen, die teils so grotesk ist, dass man fast versucht ist, darüber zu lachen.
Spannend, bewegend und schockierend
The Swallows of Kabul ist jedoch kein Film, der seine Stärke aus der Empörung des Publikums zieht, so groß diese auch sein mag. Er hat ganz andere Qualitäten. Zum einen sieht das Animationswerk fantastisch aus mit seiner Wasserfarbenoptik, die oft an eine Graphic Novel erinnert. Und auch bei den Animationen und den Lichteffekten gab man sich keine Blöße: Die Buchadaption hält eine unglaubliche Balance aus Realismus und Kunstfertigkeit, bietet sehr schöne Bilder, ohne dabei zu beschönigen. Der Kontrast aus hoher Ästhetik und inhaltlicher Grausamkeit fasziniert und führt dazu, dass man seine Augen nicht abwenden kann, selbst wenn man dies gerade wollte, um der Misere zu entkommen.
Außerdem weiden sich Zabou Breitman und Eléa Gobé Mévellec nicht an dem Unglück der Protagonisten. Ihr Film bietet sogar Hoffnung, indem inmitten der Tragik Leute noch immer daran glauben, dass es anders und besser geht. Oder es glauben lernen, wenn Schwarz und Weiß sich in Grau verwandelt, feste Überzeugungen zu wanken beginnen. Wut und Entsetzen mögen anfangs dominieren beim Ansehen von The Swallows of Kabul. Doch der Film geht auch zu Herzen, ist streckenweise zudem sehr spannend, wenn so gar nicht klar ist, wie es mit der Geschichte weitergeht – nach einem überraschenden Wendepunkt. Es gibt daher mehr als genügend Gründe, sich das Animationswerk anzuschauen. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass möglichst vielen auch die Gelegenheit dazu gegeben wird.
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