Schon seit Jahren fehlt vom Grafen Dracula (Christopher Lee) jede Spur, doch die Legende um das ultimative Böse in ihm ist allseits bekannt. Nach einer eher enttäuschenden Nacht im Bordell machen William Hargood (Geoffrey Keen) und zwei seiner Freunde Bekanntschaft mit dem mittlerweile verarmten Sohn eines Lords, der ihnen die angeblichen Überreste des Grafen aufschwatzt. Doch dem nicht genug, weiß der junge Herr auch, wie man den Grafen wieder zurück in die Welt der Lebenden holt. Die darauf folgende schwarze Messe in einer entweihten Kirche endet desaströs für alle, sodass Hargood sowie die anderen Männer beschließen, ihren Familien alles über diesen Abend zu verschweigen. Allerdings hatte ihre Unternehmung unverhofften Erfolg, denn der Graf ist wieder lebendig und erfüllt von einer grenzenlosen Wut auf Hargood, seine Freunde sowie deren Familien. Als eines Abends Alice Hargood (Linda Hayden), Williams Tochter, unerlaubt das Haus zu einer Party verlässt, wird sie zum ersten Opfer Draculas. Da schon bald die nächsten Opfer folgen und Menschen verschwinden, beginnt Hargood zu ahnen, dass er das nächste Opfer sein könnte.
Der ultimative Rausch
Nach vier Auftritten als Graf Dracula fühlte sich wohl auch Christopher Lee vom dunklen Schatten dieser Rolle verfolgt, sodass er zunächst gar nicht mehr in den schwarzen Umhang schlüpfen wollte. Auf Druck der Hammer Studios kam es dann wohl doch zu einer Einigung, aber vielleicht wird auch die Neuerung auf dem Regiestuhl eine Rolle bei Lees Entscheidung gespielt haben. Neben den mittlerweile bekannten Gesichtern wie Anthony Hindis (Drehbuch) und Arthur Grant (Kamera), welche die Dracula-Reihe schon lange begleitet hatten, wurde Peter Sasdy, nach Jahren der Arbeit fürs Fernsehen, mit seinem ersten Langfilm betraut. In der weiteren Geschichte der Hammer Studios sollte Sasdy noch viele wichtige, sehr sehenswerte Einträge drehen, unter anderem Comtesse Dracula und Hände voller Blut (beide 1971).
Die Frischzellenkur sieht man dem Grafen bereits in der fulminanten Eröffnungssequenz an. Auch wenn die Verbindung zum letzten Teil der Reihe, Draculas Rückkehr, etwas sehr gewollt ist, so ist die Verfolgung im Wald eine dramaturgisch wie auch visuell beachtliche Leistung. Insgesamt wirkt der Einsatz authentische Sets sowie die Handkamera in vielen Szenen sehr viel direkter, weniger distanziert und theatralisch als die vorherigen Dracula-Filme. Allgemein sollte diese Herangehensweise zur Handschrift Sasdys werden und noch weiter perfektioniert werden, je mehr kreativen Freiraum man ihm gestattete.
Wie bereits in den Vorgängerfilmen steht natürlich der Konsum von Blut im Vordergrund, ist ein wichtiges Motiv, doch Hindis‘ Skript sowie die Kamera betonen die sexuelle Konnotation. Interessant ist hierbei, dass es nur die jungen Menschen, die Söhne und Töchter der alten Generation, sind, die das Blut des Vampirs kosten, den Verführungskünsten des Grafen erliegen. Ob man dies innerhalb eines anderen, politischen Kontext sehen möchte, scheint etwas übertrieben, aber nichtsdestotrotz ist der Akt eine Art Befreiung von den straffen Fesseln des Patriarchats.
Aufbruch ins Chaos
Wie in jeder Filmreihe liegt die Gefahr bei weiteren Teilen, dass man in ein berechenbares Muster verfällt. Auch dies mag Lee dazu gebracht haben, zunächst nicht die Rolle des Grafen übernehmen zu wollen, denn am Ende liegt dieser zerstört (oder zu Staub zerfallen am Boden) und die Ordnung aller Dinge ist wiederhergestellt, die Hierarchien der Zeit stimmen wieder. Sasdys Film jedoch zeigt eine Ordnung, die nicht nur stillsteht, sondern mehr und mehr soziopathische, brutale Züge annimmt. Verkörpert von Williams Hargood finden sich die Väter wieder in einem Zwiespalt von geheuchelter Frömmigkeit nach außen und tiefer Verdorbenheit im Innern. Die Aufnahmen im Bordell, das audiovisuelle Chaos der schwarzen Messe lassen die Verkommenheit erahnen, die sich hinter der Familienfassade abspielen mag, wo nur noch die Knute die Jugend im Zaum halten kann.
Die Jugend, eine für die Zeit typische Idee, hat sich nämlich schon lange vor diesen Vätern distanziert, ahnt um deren Falschheit. Da kommt ein Dracula als Ersatzvater gerade recht.
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