Das Wunder von Mailand
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Wunder von Mailand

Das Wunder von Mailand
„Wunder von Mailand“ // Deutschland-Start: 11. Oktober 2019 (Blu-ray)

Eines Tages, als sie gerade in ihrem Gemüsebeet weilt, findet Signora Lolotta (Emma Gramatica) zwischen zwei Kohlköpfen ein Baby. Da sich die leiblichen Eltern nicht melden, zieht die rüstige Dame das Kind, welches sie Totò nennt, schließlich selbst auf, bis sie irgendwann selbst stirbt und der Knabe in die Obhut des Staates kommt. Als der erwachsene Totò (Francesco Golisano) aus dem Waisenhaus entlassen wird, freut sich der junge Mann endlich die Welt draußen zu sehen, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Voller Optimismus zieht er durch die Straßen der Stadt, jedoch stößt seine Fröhlichkeit auf wenig Gegenliebe unter den anderen Bürgern. Ohne eine Arbeit und mit wenig Geld in der Tasche kommt Totò bei den Obdachlosen, die am Rande der Stadt leben, unter und findet durch seine freundliche Art schnell Freunde dort. Aber als der Besitzer des Grundstückes, auf dem er und die anderen leben, sie vertreiben will, wird die Gutmütigkeit Totòs auf die Probe gestellt.

Der Glaube an das Gute
Neben Fahrraddiebe und Umberto D. gehört Wunder von Mailand sicherlich zu den bekanntesten Werken des italienischen Regisseurs und Schauspielers Vittorio De Sica. Auch wenn seine Karriere noch lange danach sehr erfolgreich über sein Heimatland hinausging, sind es vor allem die Filme De Sicas, die man gemeinhin dem Neorealismus zuzählt. Zusammen mit Cesare Zavattini, der unter anderem am Drehbuch des Films mitschrieb, machte sich De Sica Anfang der Jahre auf nach Mailand, wo ihnen vor allem die negative politische und soziale Stimmung auffiel, welche dann der Ausgangspunkt des Films bildet. Dem entgegen setzt De Sica eine Person, die heutzutage wohl als „Gutmensch“ bezeichnet werden würde, selbst wenn diese Kategorie auf jemanden wie Totò nicht ganz passt.

Dieser Totò ist ein Charakter, dessen Optimismus und Güte hervorstechen im Bild des durch Armut und Not geprägten Mailand im Film. Anders als der Familienvater in Fahrraddiebe oder der alte Umberto in Umberto D. kennt Totò keierlei Hartherzigkeit, Neid oder Zorn, als er nach langer Zeit endlich aus dem Waisenhaus kommt. Entgegen den Erwartungen, die man hat aufgrund seines bisherigen Lebens, stapft da ein selig dreinblickender Mann durch den Schnee auf den Straßen, grüßt jedermann freundlich, selbst wenn diese eher griesgrämig auf sein betont freundliches „Guten Morgen“ reagieren.

Bisweilen geht dem heutigen Zuschauer dieser Optimismus etwas auf den Geist, weckt den Blick des Skeptikers, auch wenn De Sica keinen Zweifel daran lässt, dass er hier ein Märchen erzählen will. Daher entfernt sich insbesondere die zweite Hälfte des Films fast gänzlich von den Grundfesten des Neorealismus und verzweigt sich in einem Geflecht aus Märchen und Bubenstück, in dem die dicken Herren der Bourgeoisie mit ihren schwarzen Mänteln und teuren Zigarren wie Karikaturen auftreten und sogar der strengste Polizist eine Opernarie anstimmt.

Ein Strahl wärmendes Licht
Am Ende formuliert De Sica abermals eine Utopie des Zusammenlebens, des Miteinanders. Die Werte eines Totò verdeutlichen, wie sehr diese innerhalb unserer Welt fehlen, weshalb der Film den Umweg übers Märchen geht, wo diese wahrscheinlich nur noch zu finden sind. In der ein oder anderen Szene wirkt dies sehr aufgesetzt, vor allem mit der Musik Alessandro Cicogninis, jedoch wird man sich auch aus heutiger Sicht fragen, wo diese Tugenden heute sind, oder warum sie zum Teil so außer Mode gekommen sind. Man mag einem Totò Naivität unterstellen können, aber am Ende ist diese genauso gefährlich wie Zynismus und Narzissmus.



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„Wunder von Mailand“ ist ein Film-Märchen über den Wert von Menschlichkeit und Empathie. An vielen Stellen etwas überzeichnet und rührig, muss man dennoch die Botschaft des Films respektieren, und zudem die prachtvollen Aufnahmen des Mailänder Doms bewundern.
6
von 10