Zoros Solo
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Zoros Solo

Zoros Solo
„Zoros Solo“ // Deutschland-Start: 24. Oktober 2019 (Kino) // 11. März 2021 (DVD)

Für Frau Lehmann (Andrea Sawatzki) kann es eigentlich nicht schlimmer kommen. Als wäre es nicht schon eine Zumutung, dass die lauter Ausländer in der Kirche unterbringen und sie deshalb nicht mehr vernünftig proben kann. Nein, ausgerechnet der vorlaute, 13-jährige Zoro (Mert Dincer) hat es sich in den Kopf gesetzt, in ihrem Knabenchor beizutreten. Singen kann er, zugegeben. Ansonsten ist der Rotzlöffel aber kaum zu ertragen. Was die Gesangslehrerin dabei nicht ahnt: Zoro ist nur deswegen dabei, damit er mit zum Chorwettbewerb nach Ungarn kann. Denn dort ist immer noch sein Vater, nachdem eine Verletzung seiner Flucht aus Afghanistan ein vorzeitiges Ende setzte …

Eigentlich ist das Thema Flüchtlinge im Kino doch langsam mal durch, könnte man meinen. In den Nachrichten zumindest dominieren eigentlich ganz andere Problemfelder. Aber weit gefehlt, zuletzt gab es wieder eine kleine Renaissance an Filmen, sei es aus dem fiktiven oder dokumentarischen Bereich. Auffällig dabei ist, dass die entsprechenden Filmemacher sich mit viel Humor dem Reizthema nähern. Nachdem kürzlich schon Datsche kleinbürgerliche Schrebergartengroteske mit Flüchtlingsnot kreuzte, kommen diese Woche mit Heimsuchung und Zoros Solo gleich zwei weitere Werke in die hiesigen Lichtsäle, um mit einem Witz ein ernstes Anliegen ans Publikum zu bringen.

Wird schon alles gut gehen …
Zoros Solo ist im Vergleich der deutlich gefälligere Film. Wenn wir zu Beginn erfahren, dass Zoro und seine Familie von dem Vater auf der Flucht getrennt wurden, dann dürften nur die wenigsten im Kino Zweifel daran haben, dass sich das im Laufe der 90 Minuten ändern wird. Ebenso wenig steht es außer Zweifel, dass die beiden erbitterten Widersacher – Frau Lehman und Zoro – sich währenddessen annähern werden und sich zu schätzen lernen werden. Das sind die Gesetze des Films, Regisseur und Co-Autor Martin Busker will schließlich, dass sich die Leute nach dem Kinobesuch besser fühlen und voller Optimismus beschwingt in den Alltag starten.

Doch das soll nicht bedeuten, dass Zoros Solo nichts zu sagen hätte oder völlig weichgespült ist. Zum einen zeigt der Film recht deutlich, was diese Flucht letztendlich bedeutet. Welcher Schrecken damit verbunden ist, welche Qualen. Zoro selbst mag sich gern ein bisschen hinter seinem Großmaul verstecken, ist aber spürbar traumatisiert von den Erfahrungen und der Sehnsucht nach seinem Vater. Und dann wäre da ja noch die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Zankäpfeln, wie sie giftiger nicht sein könnte. Ob nun „Zwergprolet“ oder „Bitch“, zu Anfang geht nahezu jede Begegnung zwischen den beiden mit einer verbalen Entgleisung einher. Trotz des Größenunterschieds begegnen sich da zwei bissige Sturköpfe auf Augenhöhe.

Wenn zwei sich streiten …
Diese Streitereien sind unterhaltsam, auch weil die jeweiligen Darsteller*innen schön mit ihren jeweiligen Rollen eins werden. Andrea Sawatzki ist als eiskalte Hexe mit unverhohlen rassistischen Ansichten eine Idealbesetzung, die auch sichtlich Spaß bei ihrer Aufgabe hat. Newcomer Mert Dincer hält aber gut mit, sowohl in den schauspielerischen wie auch den gesanglichen Momenten. Die Annäherung der beiden Kontrahenten ist ebenfalls gut genug geworden, selbst wenn sie etwas erzwungen wirkt, wie so manches in Zoros Film. Zuweilen ist die Tragikomödie auch etwas überfrachtet, verlässt sich auf Zufälle oder schneidet Themen an, die im Anschluss kaum weiterverarbeitet werden.

Die Geschichte um einen respektlosen Minimacho, der sich selbst findet und dabei auch noch der verhassten Lehrerin etwas beibringt, ist dafür ein echter Wohlfühlfilm, weshalb es keine echte Überraschung war, als dieser beim Filmfest Emden-Norderney 2019 ausgezeichnet wurde. Schließlich schafft Zoros Solo die Balance aus Witz und gesellschaftlichem Anspruch, bringt durch die Freundschaft zum schüchternen Chorknaben Julian (Laurids Schürmann) auch noch die umgekehrte Toleranzfrage ins Spiel. Am Ende setzt sich Busker für eine Aussöhnung und Offenheit ein, fordert seine Mitmenschen auf aufeinander zuzugehen, egal ob nun in einer schwäbischen Kleinstadt oder im Ausland, während einer Krise oder im Alltag und wählt dafür das Bindeglied der Musik. Und dagegen lässt sich schwer etwas einwenden.



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Schon wieder ein Flüchtlingsfilm? Ja, aber einer, der ziemlich gefällig geworden ist. Und lustig: Wenn in „Zoros Solo“ ein Minimacho und eine rassistische Gesangslehrerin aufeinandertreffen, fliegen schon mal die Fetzen. Der Film selbst ist dabei vorhersehbar und manchmal etwas konstruiert, der Einsatz für Offenheit und Toleranz ist aber nach wie vor sympathisch.
6
von 10