Zuletzt läuft es nicht mehr wirklich rund bei Agatha Christie (Ruth Bradley). Ihr Mann drängt schon seit Längerem darauf, sich von ihr scheiden zu lassen, weil er lieber mit einer deutlich jüngeren Frau zusammen sein möchte. Außerdem fehlen der Krimi-Autorin gerade die passenden Inspirationen, um ihren Roman zu vollenden. Da trifft es sich eigentlich ganz gut, als sie eines Tages von Mabel Rogers (Pippa Haywood) gebeten wird, den Tod ihrer Freundin aufzuklären, die an Bord eines Zuges ermordet wurde. Nach einigem Zögern lässt sich Christie tatsächlich darauf ein, gemeinsam auf Mörderjagd zu gehen, muss dabei aber feststellen, dass das im wahren Leben nicht ganz so funktioniert wie in ihren Büchern …
Auch wenn sie seit nunmehr 40 Jahren tot ist, so ist Agatha Christie doch wie kaum jemand anderes mit dem Genre des Krimis verbunden. Viele ihrer 66 Romane sind Klassiker, Figuren wie Hercule Poirot oder Miss Marple gehören zu den bekanntesten Detektiven aller Zeiten. Doch während in ihren Geschichten unzählige Mordfälle oder andere Verbrechen gelöst wurden, ein Rätsel aus ihrem eigenen Leben ist bis heute geblieben: das um ihr elftägiges Verschwinden im Jahr 1926. Theorien gibt es jede Menge, oft im Zusammenhang mit der drohenden Scheidung von ihrem Mann. Eine tatsächliche Erklärung fand sich jedoch nicht, auch weil Christie nie darüber sprach, den Vorfall in ihrer Autobiografie nicht erwähnt.
Eine alternative Geschichte
Ein mysteriöser Vorfall um die Queen of Crime, das regt natürlich die Fantasie der anderen an. Schon 1979 nahm sich Das Geheimnis der Agatha Christie der Sache an und spekulierte wild drauf los. 2008 gab es eine – natürlich – bizarre Interpretation im Rahmen der Kultserie Doctor Who. Und auch Agatha und die Wahrheit des Verbrechens nutzt diese Abwesenheit, um daraus eine eigene Geschichte zu basteln. In dem britischen TV-Film wird die Krimiautorin nun selbst zu einer Detektivin, vergleichbar zur Hitserie Mord ist ihr Hobby. Nun ist das mit der Theorie und der Praxis bekanntlich so eine Sache. Was auf dem Papier funktioniert, muss es nicht zwangsläufig im wahren Leben.
Tatsächlich besteht der größte Spaß bei Agatha und die Wahrheit des Verbrechens auch darin, wie hier Romanlogik und „Realität“ auseinanderklaffen. Anders als ihre Figuren stellt sich Christie nicht so wahnsinnig geschickt bei ihren Ermittlungen an. Zudem gibt es ein paar nette selbstironische Momente, wenn es etwa darum geht, wie Leser ihrer Werke die Mörder erraten. Das geht dann zwar nicht ganz so sehr auf die Metaebene von Murder by the Book aus dem Jahr 1986 über eine Begegnung zwischen der fiktiven Christie und Poirot. Aber es geschieht doch genug hier, um die Fans mit kleinen Anspielungen bei Laune zu halten.
Unerreichtes Original
Der Krimi selbst ist weniger interessant: Wenn sich die Autorin auf die Jagd nach einem Mörder begibt, dann folgt das zwar den Ansprüchen und Erwartungen einer solchen Geschichte. Agatha und die Wahrheit des Verbrechens kann es jedoch zu keiner Zeit mit den Romanen Christies aufnehmen. Wo diese vertrackte Rätsel darstellen, ist das hier schon deutlich schlichter. Es gibt keine cleveren Tatvorgänge oder Vertuschungsmethoden. Trotz bewährter Elemente wie vorgegebener Identitäten und einer großen Versammlungsrunde will einfach nicht die Spannung und Neugierde auftreten, welche die Bücher der Britin auszeichneten.
Dafür hat der Film feministische Züge, die der historischen Geschichte ganz gut stehen. Und auch die Ausstattung ist sehenswert genug, damit man hier einmal vorbeischauen kann. Agatha und die Wahrheit des Verbrechens ist dabei in erster Linie an die Leser und Leserinnen gerichtet, die mit der Autorin und ihren Werken vertraut sind. Wer das nicht von sich behaupten kann, darf hier zwar auch ohne Kenntnisse Spaß haben, bleibt dann aber auf einem mittelmäßigen Film sitzen, der sich nur unwesentlich von den vielen anderen TV-Krimis unterscheidet, die sowohl in Großbritannien wie auch außerhalb produziert werden.
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