Jacques Viguier (Laurent Lucas) kommt einfach nicht zur Ruhe. Zehn Jahre ist es bereits her, dass seine Frau Suzanne spurlos verschwunden ist. Und noch immer steht er unter Verdacht, sie damals ermordet und die Leiche beseitigt zu haben. Nun droht ihm ein zweiter Prozess, in dessen Mittelpunkt eine Reihe von Bändern stehen. Aufnahmen von Telefongesprächen, die Suzannes Liebhaber geführt hat – jener Mann, der noch immer für die Verurteilung von Jacques kämpft. Doch der Beschuldigte ist nicht allein. Nora (Marina Foïs), die beim ersten Prozess als Geschworene auftrat ist von dessen Unschuld überzeugt. Sie schafft es auch, den Anwalt Eric Dupond-Moretti (Olivier Gourmet) zu überreden, ihn vor Gericht zu vertreten. Aber ihr großer Einsatz fordert persönliche Opfer …
War er’s oder war er’s nicht? Ganz aus dem Weg geräumt sind die Zweifel wohl nie, ob Jacques Viguier nicht doch etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hatte. Im Februar nächstes Jahr wird dies nun zwanzig Jahre her sein, aufgeklärt wurde der Fall nie. Hauptverdächtiger war ihr Ehemann, nicht zuletzt weil Suzannes Geliebter die Sache vorantrieb. Beweise gab es jedoch keine. Une intime conviction setzt beim zweiten Prozess an, der zehn Jahre nach dem Verschwinden begann und der die endgültige Schuld oder Unschuld des Verdächtigen bestimmen sollte.
Die Opfer der Wahrheitssuche
Mit einer großen Überraschung endet der Film zwangsläufig nicht, seit dem Fall hat sich nicht viel getan, ein kurzer Blick auf die französische Wikipedia-Seite verrät alles, was man wissen muss. Regisseur und Drehbuchautor Antoine Raimbault geht es dann auch weniger darum, seinem Publikum eine neue Geschichte erzählen zu wollen oder große Spannung zu erzeugen. Sein Film Conviction dreht sich vielmehr um die Menschen, die in dieser Tragödie gefangen sind, und um einen Kampf um die Wahrheit, der eine Schneise der Zerstörung hinterlässt, auf allen Seiten. Denn der Fall um die verschwundene Suzanne kennt nur Verlierer.
Dabei bedient sich der junge französische Filmemacher eines kleinen Kniffes. Hauptfigur seines Falls ist gar nicht der Angeklagte, wie man vorab meinen könnte. Vielmehr rückt er die fiktive Figur der Geschworenen Nora in den Mittelpunkt. Das wirkt anfangs etwas irritierend, gerade auch weil man sich von Conviction vielleicht erhofft hat, den vermeintlichen Täter näher kennenzulernen. Doch der bleibt der fremde Dritte, ein Mann, über den alle reden, selbst aber stumm bleibt. Ein Manko ist das jedoch nicht. Vielmehr demonstriert das Drama, wie sehr er als Verdächtiger anderen ausgeliefert ist und dass alle über ihn aus der dritten Person heraus urteilen, sei es positiv oder negativ, er selbst aber kein Mitspracherecht hat, welches Bild er vermittelt.
Ein emotionales Rätsel
Der Beitrag von den Französischen Filmtagen Tübingen-Stuttgart 2019 zeigt dabei Mut zur Lücke. Warum Nora so besessen von der Idee ist, Jacques helfen zu müssen und dadurch sogar ihren eigenen Sohn vernachlässigt, wird nie ganz klar. Sie ist zudem eine durchaus ambivalente Figur, die ihrerseits ohne jeden Skrupel den Liebhaber an den Pranger stellen würde, nur um einen Freispruch zu erhalten. Conviction zeigt damit nicht nur, wie Menschen unter einer Verdachtsperson leiden können, selbst wenn sie – der Film legt es zumindest nahe – unschuldig sind. Es wird auch deutlich, wie leicht es uns fällt, jemanden zu einem Schuldigen zu machen, ohne groß darüber nachzudenken.
Der Film dreht sich dabei zwangsläufig ein wenig im Kreis. Zwar tauchen immer mal wieder neue Indizien oder auch Widersprüche auf. Ansonsten besteht die Entwicklung jedoch in erster Linie aus dem zunehmenden Kontrollverlust von Nora. Das ist durchaus intensiv von Marina Foïs (Mama gegen Papa, Ein Becken voller Männer) verkörpert, der die steigende Verzweiflung ins Gesicht geschrieben ist, wenn sie gegen die Zeit anrennt. Aber auch Olivier Gourmet hat einige emotionalere Momente als Anwalt, der einen schwierigen Kampf auszutragen hat, und trägt somit dazu bei, dass trotz der wenig abwechslungsreichen Geschichte keine Langeweile aufkommt.
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