Eigentlich, so sollte man meinen, befinden wir uns auf einem guten Weg, was die Gleichberechtigung der Frauen angeht. Seitdem #MeToo zu einer weltweiten Bewegung geworden ist, wird das Thema zumindest angesprochen, es gibt kleine erste Erfolge bei der Sensibilisierung für ein Problem, das für viele zuvor gar nicht als Problem erkennbar war. Zudem finden sich Frauen immer häufiger auch in Machtpositionen, was früher mehr oder weniger undenkbar war, von der einen oder anderen Königin einmal abgesehen. Gleichzeitig ist aber unverkennbar: Diese Entwicklung ruft auch eine Gegenentwicklung hervor. Eine sehr hässliche Gegenentwicklung. Schließlich gibt es mehr als genügend Männer, die das mit den starken Frauen so nicht akzeptieren wollen und alles dafür tun würden, um sie wieder in den Dreck zu ziehen, wo sie deren Meinung nach hingehören.
Man muss dafür noch nicht mal mit dem Finger auf die USA zeigen, wo der Missbrauch von Frauen kein Hinderungsgrund ist, höchste Positionen in Politik und Justiz zu bekommen, weil genug Männer übrig sind, die eben solche Leute in höchsten Positionen sehen wollen. Nein, in Europa sieht es da nicht unbedingt besser aus. Ganz oben auf der Liste der alten Patriarchaten: Italien. Kaum ein Land ist stärker mit dem Bild des Machos verbunden, dem die Frauen zu Füßen liegen, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Und so befassen sich Gustav Hofer und Luca Ragazzi in ihrem Dokumentarfilm dann auch in erster Linie mit ihrer Heimat, schauen, was sich dort zuletzt getan hat – oder eben nicht getan hat.
Mit viel (Selbst-)Ironie auf der Suche nach Antworten
Dass der Ton dabei humorvoller sein wird, das verrät bereits der Titel Dicktatorship, der mit einer Kombination der englischen Wörter für Diktatur und Schwanz einiges vorwegnimmt, was uns erwartet. Hofer und Ragazzi machen sich aber nicht allein über zurückgebliebene Alphamännchen lustig, sondern gehen mit viel Selbstironie an die Arbeit. Ausgang ist eine Diskussion des homosexuellen Paares, inwiefern die vielen Jahre unter dem berüchtigten Medienproleten Berlusconi sie geprägt haben. Ist der Ausdruck, Angela Merkel habe ein paar Eier, um ihre Stärke und ihren Willen auszudrücken, nicht selbst schon frauenfeindlich, obwohl er es an der Stelle nicht gemeint war?
Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem speziellen Satz gibt es nicht. Wohl aber ist er Aufhänger für die beiden, durch das Land zu fahren und alle möglichen Leute zu ihren Ansichten zu befragen. Das Ergebnis ist je nach Interviewpartner erhellend bis schockierend. Von dumpfen Beleidigungen, wie sie beispielsweise Laura Boldrini als ehemalige Präsidentin der Abgeordnetenkammer von „Kollegen“ ertragen musste, über kleine Anekdoten eines Pornodarstellers bis zu wissenschaftlichen Experimenten ist alles dabei. Wenn wir beispielsweise erfahren, dass Menschenaffen mit hohem Testosteronspiegel vor allem schwächere Artgenossen verprügeln, dann ist es kein Wunder, wenn Männer auf Frauen losgehen, ansteht sich gegenseitig zu bekriegen. Bei Frauen ist das leichter.
Eine Reise mit Hindernissen
Die große Bandbreite an Themen ist dabei gleichermaßen eine Stärke und eine Schwäche. Auf der einen Seite weiß man hier tatsächlich nie, was als nächstes geschieht, wohin die Rundreise der beiden wohl führen mag. Da ist Informatives ebenso dabei wie Kurioses, etwa ein Festival, das allein dem Phallus gewidmet ist und von dem man glauben wollte, es sei eine bloße Erfindung. Allerdings führt dies auch dazu, dass Dicktatorship immer ein bisschen beliebig wirkt, zumal vieles auch nicht vertieft wird, vertieft werden kann. Wirklich neue Erkenntnisse sind dabei die Ausnahme. Dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der männlichen Bevölkerung eigene Vorstellungen von der Rolle der Frau hat, das wusste man natürlich vorher schon. Dafür braucht es keinen Film.
Spaß macht die Doku, die hierzulande auf dem Nuremberg International Human Rights Film Festival 2019 lief, aber schon. Das liegt vor allem an den Männern hinter Dicktatorship: Hofer und Ragazzi bringen jede Menge Persönlichkeit mit, Neugierde und ein bisschen Unverschämtheit, wenn sie sich quer durchs Land fragen und allerlei Leute treffen. Man könnte sie sich auch als Moderatorenduo vorstellen, das mit wechselnden Themen die Verrücktheiten Italiens oder des Rests der Welt präsentiert. Das droht dann manchmal das nach wie vor äußerst relevante Thema der Frauendiskriminierung zu überlagern, was die Frage aufwirft: Wird der Film seinem Anspruch gerecht? Andererseits eröffnet er auch einem Publikum, das mit nüchternen Dokus wenig anzufangen weiß, den Weg, sich mit etwas auseinanderzusetzen, das viel zu oft noch ignoriert wird.
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