Viele Jahre sind vergangen seit den schrecklichen Vorgängen im Hotel, ganz überwunden hat sie Danny Torrance (Ewan McGregor) aber bis heute noch nicht. Zumal er seine übersinnlichen Kräfte, die es ihm erlauben Gedanken zu lesen und Visionen zu haben, nach wie vor nicht unter Kontrolle hat, so viel Alkohol er auch trinken mag. Erst als er zufällig Arbeit in einem Hospiz findet und dadurch seine Fähigkeiten zum Wohle anderer nutzen kann, findet er Ruhe. Zumindest eine Weile. Doch dann wird er von dem Mädchen Abra Stone (Kyliegh Curran) telepathisch kontaktiert, die ihm von einer seltsamen und brutalen Sekte erzählt, angeführt von Rose (Rebecca Ferguson). Und nur gemeinsam können sie diese Gruppe aufhalten …
Fortsetzungen von Horrorhits sind immer so eine Sache, sei es in gedruckter oder bewegter Form. Die Versuchung ist natürlich groß, noch einmal abzuräumen. Beispiele für Erfolge gibt es natürlich auch einige, bei Filmen etwa Conjuring 2 oder Insidious: Chapter 2. Doch das Problem ist oft, dass die Geschichte auf eine Weise endet, dass eine direkte Fortsetzung gar nicht möglich ist. Auch der mächtigste Dämon lässt sich beispielsweise nur einmal töten. Im Fall von Shining war es besonders knifflig. Nicht nur, dass der Roman von Stephen King mit dem Tod des Widersachers endete, auch der Schauplatz – der (un-)heimliche eigentliche Gegner – brannte zum Schluss ab. Wie soll man daran noch anknüpfen? Der King of Horror entschloss sich, es trotzdem zu versuchen und präsentierte 36 Jahre nach seinem Bestseller eine Art zweite Teil, in dem sich alles um den Sohn drehte, der die Hölle tief traumatisiert überlebte.
Ein schwieriges Erbe
Als es nach dem riesigen Erfolg von Es darum ging, dieses Buch nun in einen Film umzuwandeln, hatte Regisseur und Drehbuchautor Mike Flanagan aber ein Problem: Doctor Sleeps Erwachen ist eben nicht nur die Adaption eines Buches, sondern auch die Fortsetzung von Stanley Kubricks Film Shining. Dieser ist zwar umstritten, King selbst hält nicht viel davon, weil vieles nicht mit der Vision des Autors übereinstimmte. Aber er ist ein zu großer Klassiker, als dass man ihn ignorieren konnte. Und so hat die Filmversion die mindestens schwierige Aufgabe, sowohl dem Filmvorgänger wie auch den beiden Romanen gerecht werden zu müssen, was zu einem ziemlichen Eiertanz führt und leider auch mehr schlecht denn recht funktioniert.
Natürlich ist es schön, wenn immer wieder Verweise auf den Klassiker stattfinden, einige Szenen etwa in Form von Flashbacks direkt nachgespielt wurden. Auch die berühmte Einleitungssequenz von Shining sowie die Musik finden hier ihren Einsatz. Nur bleibt das alles reiner Fanservice, der im besten Fall nichts zur Geschichte beizutragen hat, teilweise sogar zu deutlich aufgesetzt ist. Zumal Flanagan auch nicht wirklich etwas mit einem der berühmtesten Orte der Horrorgeschichte etwas anzufangen weiß. Aber auch atmosphärisch sind die beiden Filme in keiner Form vergleichbar. Teil eins war mit einer langsam wahnsinnig werdenden Figur und einem Ort beschäftigt, voller Widersprüche, wie die unterhaltsame Doku Room 237 aufzeigt. Teil zwei ist hingegen eher ein Superhelden- bzw. Superschurkenfilm, der X-Men näher ist als Shining.
Bitte mehr, bitte weniger?
Das muss dann nicht zwangsläufig schlechter sein. Tatsächlich hat Doctor Sleeps Erwachen eine Reihe eindrucksvoller Szenen, sowohl technisch wie auch schauspielerisch. Wenn die übersinnlich begabten Mitglieder der Sekte auf die beiden Helden des Films treffen, wird das teils schön verspielt bis vertrackt. Vor allem ist Rebecca Ferguson (Mission: Impossible – Fallout) eine der großartigsten Gegenspielerinnen, die das Horrorgenre in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Wenn sie sich ihren Opfern nähert, lasziv, elegant und dabei abgrundtief böse, dann gleicht sie einer hypnotischen Schlange, der man nur wenig entgegensetzen kann. Der Rest der Sekte kann da nicht mithalten. Von diversen Männern und Frauen erfährt man nichts, keinen Namen, keine Vorgeschichte, sieht sie nie beim Einsatz ihrer Kräfte. Irritierend ist das vor allem bei Snakebite Andi (Emily Alyn Lind), die zu Beginn des Films als wichtige Figur eingeführt wird, nur um danach komplett in Vergessenheit zu geraten.
Das liegt sicher auch daran, dass die Vorlage von King wie viele seiner Bücher recht üppig ausgefallen ist. Wer die vielen Figuren und Handlungsstränge in einen einzigen Film packen will, der muss schon Mut zur Lücke beweisen. Anders als bei Das Spiel, Flanagans erster Adaption eines King-Werks, wird der Regisseur nicht so ganz Herr der Lage. Viele Fragen bleiben unbeantwortet, Entwicklungen müssen unglücklich abgekürzt werden. Gleichzeitig ist Doctor Sleeps Erwachen mit einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden nicht gerade kurz, gerade zu Beginn ist das Tempo auch recht gering. Und doch sind diese Passagen, wenn der Film mehr mit den Figuren als der Handlung beschäftigt ist, die gelungeneren, ausgerechnet beim großen Finale macht sich Langeweile breit. Das reicht dann zwar trotz allem für einen soliden Kinoabend. Einer, der ohne die Anleihen bei Shining aber schnell vergessen wäre.
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