Auf den ersten Blick mögen die Angestellten von Rashtrapati Bhavan, Amtssitz und Residenz des indisches Staatspräsidenten, und die Mitglieder einer illegalen Streetracing Gang nicht so wahnsinnig viel gemeinsam haben. Eines eint sie jedoch schon: Sie sind jeweils auf der Suche nach dem King, einem notorischen Dieb. Warum also nicht versuchen, die Gang zu infiltrieren und damit für die eigenen Zwecke zu nutzen? Zumal die gerade auch sehr beschäftigt ist. Anführerin Tara (Jacqueline Fernandez) und der mysteriöse Neuling Samar (Sushant Singh Rajput) sind gerade dabei, ein richtig großes Ding zu planen …
In den letzten Jahren hat sich Netflix eigentlich recht verdient gemacht, dem hiesigen Publikum einen ganz eigenen Blick auf die indische Film- und Serienszene zu geben, losgelöst von jeglichen Bollywood-Klischees. Ob harter Thriller (Der Pate von Bombay), Horror (Ghul), Sozialdrama (Soni) oder Science-Fiction (Leila), da waren alle möglichen Genres dabei, die man gemeinhin nicht mit dem asiatischen Vielvölkerstaat in Verbindung bringen würde. Die einem auch dabei helfen, die diversen mäßigen indischen Komödien zu vergessen, die der Streamingdienst ebenfalls immer wieder irgendwo auftreibt.
Der Tanz der Autos
Das wird einem bei Drive kaum gelingen, dem vielleicht bizarrsten Indien-Import, den wir Netflix bislang zu verdanken haben. Der Titel weckt natürlich Erinnerungen an den gleichnamigen Hit mit Ryan Gosling. Abgesehen davon, dass im Mittelpunkt ein schweigsamer Teufelsfahrer steht, haben die zwei Filme jedoch nichts gemeinsam. Wo der US-Kollege gerne ins Düstere und Brutale abglitt bei seinem Porträt eine harten Kerls, da wird es hier schnell bunt und lustig. Mit einer größeren Tanzszene geht es früh los, es wird nicht die einzige Gelegenheit sein, sich in schrille Kostüme zu werfen und loszutanzen.
Dabei ist Drive eigentlich ein Action-Film. Genauer hat Regisseur und Drehbuchautor Tarun Mansukhani einen eigenen Mix angefertigt aus einem Heist Movie und einem Autospektakel, also aus Ocean’s 11 und Fast & Furious. Da wird ständig an Plänen getüftelt, Leute abgehört oder aufs Kreuz gelegt. Und dazwischen gibt es eben Verfolgungsjagden. Oder eben Tanzszenen. Oder auch mal ein Trip nach Tel Aviv, der offensichtlich von irgendeinem Werbepartner bezahlt wurde und deshalb Platz fand. Inhaltlich ist der nicht zu rechtfertigen. Aber was ist das hier schon?
Das hört sich ohne Zweifel alles ein bisschen komisch an, ist es auf eine gewisse Weise auch. Das hängt jedoch weniger mit den regelmäßigen Versuchen zusammen, noch ein paar Witze unterzubringen. Denn die entpuppen sich ebenso regelmäßig als Rohrkrepierer. Gleiches gilt für die zwischenmenschlichen Verstrickungen, die nur selten etwas tatsächlich Menschliches an sich haben. Zumindest hat es aber eine Art Unterhaltungswert, wie willkürlich das hier alles ist. Wie sehr Mansukhani zusammengeworfen hat, was ihm wohl irgendwann einmal im Fernsehen gefallen hat, ohne sich nur im Geringsten dafür zu interessieren, ob das denn auch zusammenpasst.
Wo waren wir gerade?
Dazu passt dann auch – oder eben nicht – die Geschichte, die so viele Haken schlägt, dass man noch mitten im Satz keine Ahnung mehr hat, was der Anfang war. Nicht dass es wirklich einen Unterschied machen würde, Aufmerksamkeit wird bei Drive eher nicht belohnt. Das Augenmerk liegt auf oberflächlichem Glitzer und schnellen Wechseln. Dass vieles hier kompletter Unsinn ist, man von Anfang an nichts und niemandem glaubt, ist Nebensache. Der Film will überhaupt keinen Sinn ergeben, sondern einfach ein bisschen Spaß haben und das Publikum auf eine rasante, farbenfrohe Spritztour einladen.
Ob man dieses Spaß nun teilt, hängt in erster Linie davon ab, ob man sich an Trash erfreuen kann. Denn das ist Drive. Die Dialoge sind stümperhaft, die Geschichte Murks, es kommt keine Spannung auf, kein Flow – es rattert und ruckelt in einer Tour. Und dann wären da noch die billigen Autoszenen, die so offensichtlich am Computer erstellt wurden, dass man sich selbst als Netflix-Abonnent ausgeraubt fühlt. Andererseits hat der Film von Anfang an einen derart künstlichen Look, dass das auch schon keinen Unterschied mehr macht. Das hat dann ungefähr die Anziehungskraft eines Verkehrsunfalls, von dem man die Augen nicht abwenden kann, zumal alle Beteiligten auch noch nett winken. Wer allerdings einen tatsächlichen Actionfilm sehen möchte, der im Idealfall noch ein bisschen Adrenalin hervorholt, der verschwendet hier seine Zeit.
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