Was hatte sich Helle (Birthe Neumann) nicht darauf gefreut, endlich mal ein bisschen mehr Zeit mit Peter (Kurt Ravn) verbringen zu können. 50 Jahre sind sie bereits verheiratet, doch immer stand die Arbeit bei ihm an erster Stelle. Jetzt, da die Rente ansteht, soll es nur um sie gehen. Dummerweise hat Peter jedoch ganz andere Pläne. Erst eröffnet er ihr, dass er sämtliche Ersparnisse in ein Weingut gesteckt hat und sich darauf konzentrieren möchte. Und dann will er auch noch die Scheidung, um noch einmal komplett von vorne beginnen zu können, weil er ohnehin nicht glücklich mit ihr wäre. Für Helle bricht damit eine Welt zusammen, weiß sie doch nicht, was sie auf einmal mit sich und ihrem Leben anfangen soll …
Die Menschen werden immer älter. Sie bleiben vor allem aber auch immer länger fit. Und so ist es dann kein wirkliches Wunder, wenn sich in den letzten Jahren vermehrt Filme in unseren Kinos finden lassen, die eine entsprechende Botschaft an das Publikum haben: Gib nicht dich auf, auch im Alter kannst du noch was Neues anfangen! Auffallend ist dabei, wie oft es Frauen sind, die ihren zweiten Frühling entdecken. Aber auch, dass dahinter meist die Männer stecken, die durch ihr Fehlverhalten den entsprechenden Ausbruch erst provozieren. In Tanz ins Leben und Britt-Marie war hier beginnt die Reise mit der Entdeckung, dass der Herr Gemahl untreu ist. Und auch Helle wird durch ihren Peter mehr oder weniger dazu gezwungen, noch einmal neu anzufangen.
Eine Frau ohne Besonderheiten
Wobei man sich darüber streiten kann, ob es der Protagonistin von Happy Ending – 70 ist das neue 70 nun besser oder schlechter geht als ihren filmischen Leidgenossinnen. Nicht durch eine andere Frau ersetzt worden zu sein, die womöglich auch noch deutlich jünger ist, das ist ja durchaus tröstlich. Andererseits: Ohne konkreten Anlass abserviert zu werden, mit dem Hinweis, man sei langweilig, das ist nicht unbedingt besser. Tatsächlich ist Helle in keiner Weise auffällig oder bemerkenswert. Anders als die obigen Beispiele ist die Dänin ohne besondere Charaktereigenschaften ausgestattet. Sie war ihr Leben lang wirklich nur Frau und Mutter, hat alles diesen Funktionen untergeordnet, bis von ihr selbst nicht mehr viel übrig geblieben ist.
Das macht sie für das Publikum wirklich etwas langweilig, gleichzeitig aber auch zu einer guten Identifikationsfigur. Schließlich kann nicht jeder Mensch etwas Besonderes sein und außergewöhnlichen Hobbys nachgehen. Happy Ending zeigt, was es heißt, ein ganz normales Leben zu führen und sich irgendwann zu fragen: Ist das alles? Das bedeutet jedoch nicht, dass der dänische Film frei von skurrilen Einfällen ist. Gerade bei den Nebenfiguren tummeln sich ein paar eigenartige Gestalten herum, deren Dasein offensichtlich aus Gründen der reinen Unterhaltung erfolgt – etwa wenn Helle von einem anderen älteren Herren auf unfassbar plumpe Weise bedrängt wird.
Das doofe Geschlecht
Dass die männlichen Figuren fast durchweg als Witzfiguren oder im Fall von Peter als völlige Unsympathen dargestellt werden, ist schon etwas schade. Happy Ending entfernt sich damit unnötig von dem Anspruch, etwas über das Leben und die Menschen zu erzählen. Zumal der Film auch nie so ganz zu einer Komödie wird. Das von Mette Heeno verfasste Drehbuch verzichtet auf ständige Gags, der Film bleibt insgesamt eher leise. Wo andere vielleicht lauter lustige Date-Situationen zeigen würden, in denen sich Helle von einer Katastrophe zur nächsten hangelt, da ist das hier deutlich zurückgenommener. Der Film regt eher zum Schmunzeln an, weniger zum lauten Auflachen.
Aber das muss ja nichts Verkehrtes sein. Der Abschlussfilm vom Filmfest Oldenburg 2019 ist eine sympathische Tragikomödie, die den Zuschauern und Zuschauerinnen ein bisschen Mut machen möchte, das Leben noch einmal richtig wahrzunehmen. Das heißt nicht, dass das alles zwangsläufig wunderbar klappen wird. Der Film zeigt sich äußerst ambivalent, auch als gegen Ende neue Wege eingeschlagen werden. Anders als der Titel vermuten lässt, ist gar nicht klar, ob da wirklich ein Happy End wartet. Aber es schadet ja nicht, es trotzdem einmal zu versuchen. Man ist schließlich nur einmal jung. Oder alt.
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