Eine Mondfinsternis! Das ist nicht nur ein Grund, sich abends auf den Balkon zu stellen und in den Himmel zu schauen, sondern auch ein schöner Anlass für die Freundesclique zu einem gemeinsamen Abendessen zusammenzukommen. Und so laden Eva (Kasia Smutniak) und Rocco (Marco Giallini) die befreundeten Paare Cosimo (Edoardo Leo) und Bianca (Alba Rohrwacher) sowie Lele (Valerio Mastandrea) und Carlotta (Anna Foglietta) ein. Eigentlich hätte auch Peppe (Giuseppe Battiston) mit seiner neuen Freundin kommen sollen, die noch keiner kennt und auf die alle schon neugierig sind. Umso größer ist die Enttäuschung, als er doch alleine auftaucht. Aber die Stimmung ist auch so gut – bis Eva vorschlägt, dass alle ihre Handys auf den Tisch legen und jede eingehende Nachricht, Mail und auch Anrufe öffentlich gemacht werden …
Inzwischen dürfte es kaum jemanden geben, der nicht irgendwie von der Geschichte gehört hat, wie ein paar Freunde ihre Handys bei dem Abendessen auf den Tisch legen, alle Nachrichten laut vorlesen und dabei jede Menge Geheimnisse ans Tageslicht kommen. Hierzulande wurde sie zuerst vor einem Jahr durch den französischen Netflix-Film Le Jeu – Nichts zu verbergen bekannt. Die kürzlich gefolgte deutsche Adaption Das perfekte Geheimnis mit unter anderem Elyas M’Barek, Florian David Fitz, Karoline Herfurth und Jella Haase hat bereits über drei Millionen Zuschauer in die Kinos gelockt, was sie schon jetzt zum erfolgreichsten deutschen Film des Jahres gemacht hat. Aber auch spanische, südkoreanische und chinesische Versionen existieren bereits, wurden in ihrer jeweiligen Heimat zu Kassenschlagern.
Der Anfang eines weltweiten Phänomens
Das ist umso beeindruckender, weil das italienische Original Perfect Strangers bzw. Perfetti Sconosciuti nicht einmal vier Jahre alt ist und dennoch jetzt schon häufiger neu verfilmt wurde als jeder andere Titel der Filmgeschichte. Die Gründe für dieses weltweite Phänomen sind nicht schwer zu erkennen. Handys sind inzwischen weit mehr als die bloße Möglichkeit, mit anderen unterwegs zu telefonieren. Das machen sogar immer weniger Leute. Stattdessen sind sie heute Kommunikationszentrum, Fototagebuch, Informationsquelle, Unterhaltungsform und noch vieles mehr. Gerade weil sie aber so viele Funktionen übernommen haben und wir in ihnen alles abladen, was uns wichtig ist und uns ausmacht, sind sie auch nicht ohne Risiko. Was wenn sie in falsche Hände geraten?
Paolo Genovese war es, der damals die Grundgeschichte entwickelte und sie auch inszenierte. Das Drehbuch schrieb er mit insgesamt vier weiteren Autoren. Ein solches Konsortium ist oft kein besonders gutes Zeichen: Je mehr Leute am Inhalten rumwerkeln, umso weniger erwähnenswert ist er oft. Umso weniger Zusammenhang gibt es. Im Fall von Perfect Strangers ist dieses Problem jedoch weniger ausgeprägt, da das Konzept ohnehin keinen echten Zusammenhang vorsieht. Stattdessen werden nach und nach die sieben Leute am Tisch abgeklappert und nach und nach deren Geheimnisse offenbart. Die funktionieren auch ohne die jeweils anderen. Tatsächlich sind Ablauf und Reihenfolge recht willkürlich, kaum etwas baut aufeinander auf.
Wer betrügt hier wen?
Es sind auch keine schrecklich originellen Geheimnisse, die das Team sich da ausgedacht hat. Bei den meisten geht es darum, dass der eine den anderen betrügt, entweder real oder im virtuellen Sinn. Die wenigen nicht-zwischenmenschlichen Beiträge werden schnell zu den Akten gelegt. Richtig abwechslungsreich ist das nicht. Zudem kann sich Perfect Strangers nie so ganz entscheiden, ob es nun um alltägliche Schummeleien gehen soll oder doch in die Vollen, was zu einem nicht immer ganz geglückten Mix führt. Dass das Ganze dennoch aufgeht, liegt an der Natürlichkeit, mit der Genovese sein Ensemble durch den stürmischen Abend führt. Anders als etwa bei Das perfekte Geheimnis, dessen Zusammensetzung allein durch Popularität und Optik bestimmt wurde, hat man hier tatsächlich das Gefühl, dass da eine Gruppe von Freunden zusammengekommen ist.
Und noch etwas hat das Original dem hiesigen Remake voraus: ein starkes Ende. Genovese verzichtete auf den Wohlfühlfaktor, sondern lässt der Hässlichkeit des Zwischenmenschlichen tatsächlich Raum. Gerade die Ambivalenz, mit denen einen der Italiener in die Nacht entlässt, wirkt noch lange nach, lässt einen nicht nur über das eigene Handy-Verhalten nachdenken, sondern auch über den Wert von Freundschaft und Partnerschaft. Wie viele Geheimnisse verträgt eine Beziehung? Ist Offenheit wirklich der beste Weg? Leider ist Perfect Strangers bis heute nicht auf Deutsch erschienen, sondern lediglich als englisch untertitelter Import erhältlich. Aber vielleicht findet sich ja jetzt aufgrund des Erfolgs von Das perfekte Geheimnis noch ein hiesiger Verleih und beglückt das Publikum mit der deutlich besseren Ursprungsversion.
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